Ausgehend davon, dass der Anwalt im Nachhinein selbst nur eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG angenommen hat, ist die Entscheidung wohl zutreffend.
Insbesondere kam hier eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV nicht in Betracht. Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV kommt in derselben Angelegenheit nur dann in Betracht, wenn der Anwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands beauftragt worden ist. Dann kann er nämlich nur aus dem einfachen Wert abrechnen, weil identische Werte nicht zusammengerechnet werden dürfen. Im Gegenzug erhält er nach Nr. 1008 VV für seinen Mehraufwand eine Erhöhung seiner Geschäfts- oder Verfahrensgebühr um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens jedoch um 2,0.
Hier verhielt es sich so, dass jeder der beiden Auftraggeber eigene selbstständige Ansprüche geltend gemacht hatte. Geht man von einer Angelegenheit aus, dann sind die Werte zu addieren. Daneben bleibt aber dann kein Raum für eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV.
Zutreffend wären zwei Angelegenheiten abzurechnen gewesen
Eine andere Frage ist allerdings, ob hier wirklich eine einzige Angelegenheit zugrunde lag. Das AG Würzburg musste aufgrund der geänderten Rechnung und des Klageauftrags davon ausgehen.
Ob von einer Angelegenheit auszugehen ist oder nicht, bestimmt sich nach der Rechtsprechung nach drei Kriterien:
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Es muss ein einheitlicher Auftrag erteilt worden sein, |
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zwischen den Tätigkeiten des Anwalts muss ein innerer Zusammenhang bestehen und |
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es muss ein gleicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gegeben sein. |
Die beiden letzten Voraussetzungen werden bei einem Verkehrsunfall, an dem mehrere Personen beteiligt, also geschädigt worden sind, wohl anzunehmen sein. In der Regel liegt der Tätigkeit ein gleicher Rahmen zugrunde und es besteht auch durch den einheitlichen Unfall ein innerer Zusammenhang. Ausnahmen können hier aber auch möglich sein.
Die entscheidende Frage ist allerdings – und darauf musste das AG Würzburg aufgrund der nachträglich geänderten Rechnung nicht mehr eingehen –, ob hier ein einheitlicher Auftrag vorlag. Das AG Würzburg hat sich zwar – obwohl es auf diese Frage nicht mehr ankam – damit befasst und insoweit lapidar ausgeführt: "Ein Verkehrsunfall wird in std. Rspr. als eine solche einheitliche Angelegenheit angesehen." Genau das ist aber nicht der Fall.
Keine Pflicht zur gemeinsamen Beauftragung
Mehrere Geschädigte sind nämlich keineswegs kostenerstattungsrechtlich gezwungen, dem Anwalt einen gemeinsamen Auftrag zu erteilen. Es stellt vielmehr keine Obliegenheitsverletzung dar, wenn mehrere Geschädigte dem Anwalt gesonderte Aufträge erteilen.
Dies ist vor allem im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht zu berücksichtigen. Wird ein einheitlicher Auftrag erteilt, dann ist faktisch die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts gegenüber den Mandanten untereinander aufgehoben. Denn, wenn nur eine einzige Angelegenheit vorliegt, dann braucht der Anwalt für die Ansprüche der Auftraggeber auch keine getrennte Korrespondenz zu führen, sondern kann dies einheitlich vornehmen, so dass jeder Auftraggeber auch über die Umstände der Schadensregulierung des anderen informiert wird.
Dies kann insbesondere dann kritisch sein, wenn – wie hier – Personenschäden geltend gemacht werden, weil dann der Eigentümer und Halter, dem es hier eigentlich nur um den Sachschaden geht, auch die gesamte Kranken- und Krankenvorgeschichte des anderen Auftraggebers, der Personenschaden geltend macht, erfahren würde. Daran hat dieser aber in der Regel kein Interesse.
Es verwundert daher, dass der Anwalt seine ursprüngliche getrennte Berechnung abgeändert hat, obwohl nach fast einhelliger Auffassung in der Rspr. mehrere Geschädigte den Anwalt gesondert beauftragen dürfen und der Haftpflichtversicherer des Schädigers die Kosten des getrennten Vorgehens auch erstatten muss:
Die anwaltliche Vertretung zweier Geschädigter eines Verkehrsunfalls stellt keine einheitliche Angelegenheit dar, wenn der Rechtsanwalt von beiden Geschädigten getrennt mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt wird, die Mandate unter zwei verschiedenen Aktenzeichen geführt werden und die Korrespondenz mit der gegnerischen Versicherung in getrennten Briefen erfolgt.
AG Hannover, Urt. v. 29.8.2011 – 526 C 3807/11
Vertritt der Anwalt mehrere Geschädigte, die aus demselben Verkehrsunfall jeweils eigene Schadensersatzansprüche geltend machen, so liegen verschiedene Angelegenheiten vor, sodass der Anwalt seine Gebühren jeweils gesondert aus den Werten der einzelnen Schadensersatzansprüche abrechnen kann. Die Geschädigten sind nicht verpflichtet, dem Anwalt einen gemeinsamen Auftrag zu erteilen.
AG Mülheim, Urt. v. 3.5.2012 – 23 C 1958/11, AGS 2012, 375 = NJW-Spezial 2012, 507 = NZV 2014, 48
1. Macht der Anwalt aus einem Verkehrsunfall für den Ehemann dessen Schadensersatzansprüche hinsichtlich des Sachschadens geltend und für die Ehefrau deren Ansprüche auf Ersatz des Personenschadens, liegen zwei verschiedene Angelegenheit...