Leitsatz
Ist ein Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig geworden, werden die Gegenstandswerte zusammengerechnet. Die Gebührenabrechnung erfolgt sodann aus dem Gegenstandswert.
AG Würzburg, Urt. v. 25.10.2017 – 32 C 1743/17
1 Der Fall
Die Frage, wie abzurechnen ist, wenn der Anwalt mehrere Geschädigte aus einem Verkehrsunfall vertritt, ist nach wie vor regelmäßig Gegenstand der Rechtsprechung. In Anbetracht des geringen Streitwerts handelt es sich in der Regel um amtsgerichtliche Entscheidungen, die häufig nicht einmal berufungsfähig sind. Mit einem solchen Fall hatte sich das AG Würzburg zu befassen.
Zugrunde lag ein Verkehrsunfall, bei dem der Halter und Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs Schadensersatz i.H.v. 6.968,08 EUR und die verletzte Fahrerin Schadensersatz i.H.v. 3.107,34 EUR geltend gemacht hatten. Diese Ansprüche sind vom Versicherer des Schädigers auch reguliert worden.
Der Anwalt der beiden Geschädigten hatte daraufhin zwei getrennte Kostenrechnungen erstellt, eine für den Eigentümer und Halter und eine für die Fahrerin:
I. Abrechnung gegenüber dem Eigentümer und Halter
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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526,50 EUR |
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(Wert: 6.968,08 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
546,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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103,84 EUR |
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Gesamt |
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650,34 EUR |
II. Abrechnung gegenüber der Fahrerin
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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327,60 EUR |
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(Wert: 3.107,34 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
347,60 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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66,04 EUR |
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Gesamt |
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413,64 EUR |
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Gesamt I. + II. |
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1.063,98 EUR |
Der Versicherer war dagegen der Auffassung, es liege nur eine Angelegenheit vor und hat die der Höhe nach unstreitige 1,3-Geschäftsgebühr lediglich aus dem Gesamtwert von 10.075,42 EUR wie folgt übernommen:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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785,20 EUR |
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(Wert: 10.075,42 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
805,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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152,99 EUR |
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Gesamt |
|
958,19 EUR |
Der Anwalt hat daraufhin seine Berechnung geändert und wie folgt abgerechnet:
1. |
1,6-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300, 1008 VV |
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966,40 EUR |
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(Wert: 10.075,42 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
986,40 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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187,42 EUR |
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Gesamt |
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1.173,82 EUR |
4. |
./. bereits gezahlter |
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– 958,19 EUR |
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Restbetrag |
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215,63 EUR |
Die Klage auf Zahlung des Differenzbetrags hatte keinen Erfolg.
2 Die Entscheidung
Gebühren entstehen in derselben Angelegenheit nur einmal
Im vorliegenden Fall sei bei der Berechnung der Gebühren von § 7 Abs. 1 RVG auszugehen, wonach der Rechtsanwalt in "derselben Angelegenheit" für mehrere Auftraggeber die Gebühren nur einmal erhalte.
Der Anwalt habe hier zwei Auftraggeber gehabt (Fahrerin und Halter). Er sei für diese "in derselben Angelegenheit" tätig geworden. Dieser Begriff, den das Gesetz auch in § 15 RVG anwende, definiere das Gesetz allerdings nicht. Ob dieselbe Angelegenheit vorliege, sei im Einzelfall nach den gesamten Umständen zu prüfen. Es müsse ein einheitlicher Lebensvorgang vorliegen und ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Tätigkeiten bestehen. Ein Verkehrsunfall werde in std. Rspr. als eine solche einheitliche Angelegenheit angesehen.
Werte werden zusammengerechnet
Für die Berechnung der Gebühren seien deshalb nach § 22 RVG die Werte mehrerer Gegenstände zusammenzurechnen.
Im vorliegenden Fall sei der Anwalt mit verschiedenen "Gegenständen" beauftragt worden. Vom Halter sei er beauftragt worden, die Geltendmachung der materiellen Schäden wegen Beschädigung des Fahrzeugs durchzusetzen. Von der Fahrerin sei er mit den durch die Körperverletzung entstandenen Schäden infolge desselben Unfallereignisses beauftragt worden.
Demzufolge seien für die Gebührenberechnung die Gegenstandswerte zusammenzurechnen. Der Gesamtgegenstandswert betrage hier 10.075,42 EUR.
Aus diesem Gegenstandswert sei der 1,3-fache Gebührensatz anzusetzen, die Pauschale für Post- und Telekommunikation. Nr. 7002 VV hinzuzufügen und auf die Summe dann die Umsatzsteuer aufzurechnen, so dass sich eine Forderung von 958,19 EUR ergebe.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 RVG bestimme, dass der Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühr nur einmal erhalte.
Allerdings bestimme Nr. 1008 VV, dass dann, wenn in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber seien (was hier der Fall sei), sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3 erhöhe. Nach dieser Vorschrift rechne der Klägervertreter ab.
Gebührenerhöhung greift nur bei demselben Gegenstand
Zu beachten sei aber, dass nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 1008 VV diese Erhöhung bei Wertgebühren nur gelte, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe sei. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine Wertgebühr. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sei aber verschieden gewesen. Es habe eine...