I. Überblick
Gebührenaufkommen in nachfolgender Angelegenheit kann geringer sein als anzurechnender Betrag
In bestimmten Konstellationen kann es vorkommen, dass eine Gebühr auf eine andere Gebühr einer nachfolgenden Angelegenheit zwar anzurechnen ist, das Gebührenaufkommen in der nachfolgenden Angelegenheit, auf die anzurechnen ist, jedoch geringer ausfällt. Dann darf nur angerechnet werden, soweit weitere Gebühren anfallen. Die Anrechnung kann nicht dazu führen, dass mehr angerechnet wird, als der Anwalt in der betreffenden Angelegenheit erhält. Grund hierfür kann ein geringerer Wert in der nachfolgenden Angelegenheit sein, ein geringerer Gebührensatz oder auch beides.
Beispiel 1
Der Anwalt war zunächst außergerichtlich tätig. Angefallen war die Schwellengebühr von 1,3 (Anm. zu Nr. 2300 VV). Anschließend wird er beauftragt, ein Mahnverfahren einzuleiten. Bevor der Mahnbescheid eingereicht wird, erledigt sich der Auftrag.
Jetzt ist im Mahnverfahren nur eine 0,5-Gebühr nach Nrn. 3305, 3306 VV angefallen, sodass von dem an sich anzurechnenden Gebührensatz von 0,65 nur 0,5 angerechnet werden können, da sich anderenfalls ein negativer Betrag ergeben würde.
Beispiel 2
Der Anwalt war zunächst außergerichtlich nach einem Gegenstandswert von 5.000 EUR tätig. Anschließend wird er beauftragt, ein Mahnverfahren wegen einer Teilforderung von 3.000 EUR einzuleiten.
Angerechnet werden darf die Geschäftsgebühr nur nach einem Gegenstandswert von 3.000 EUR (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV). Im Übrigen bleibt sie (zunächst) anrechnungsfrei.
Überschießender Betrag ist dann in nachnachfolgender Angelegenheit anzurechnen
Es verbleibt in diesen Fällen damit noch ein restlicher Anrechnungsbetrag, der zunächst nicht verbraucht worden ist. Dieser Anrechnungsbetrag ist dann allerdings anzurechnen, wenn es zu einer weiteren nachfolgenden Angelegenheit kommt, auf die auch die Erstgebühr anzurechnen gewesen wäre.
Solche Fälle kommen insbesondere vor bei
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außergerichtlicher Vertretung – Mahnverfahren – Rechtsstreit oder |
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außergerichtlicher Vertretung – selbstständiges Beweisverfahren – Rechtsstreit. |
Eine Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung ist nämlich sowohl im Mahnverfahren/Beweisverfahren anzurechnen als auch im nachfolgenden Rechtsstreit. Soweit hier also der Anrechnungsbetrag im Mahnverfahren oder im selbstständigen Beweisverfahren nicht verbraucht ist, muss dieser auf das weitere nachfolgende gerichtliche Verfahren übertragen und dort angerechnet werden.
II. Reduzierung des Gegenstandswerts in der nachfolgenden Angelegenheit und spätere Erweiterung
Zu nicht verbrauchten Anrechnungsbeträgen kann es kommen, wenn der Gegenstandswert der nachfolgenden Angelegenheit geringer ist als der Anrechnungsbetrag, sich dann aber später wieder erweitert. So im Ergebnis OLG München AGS 2009, 438 m. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2009, 588 = JurBüro 2009, 475.
Beispiel
Der Anwalt war zunächst nach einem Wert von 12.000,00 EUR außergerichtlich tätig. Anschließend wurde ein selbstständiges Beweisverfahren über einen Teilbetrag in Höhe von 6.000,00 EUR geführt, da nur insoweit Beweisbedürftigkeit bestand. Im Rechtsstreit werden wiederum die vollen 12.000,00 EUR geltend gemacht.
Die Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens anzurechnen, allerdings nur nach einem Wert von 6.000,00 EUR (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV). Der nach Anrechnung im Beweisverfahren verbliebene Restbetrag der Geschäftsgebühr ist anschließend im Rechtsstreit neben der Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens (Vorbem. 3 Abs. 5 VV) anzurechnen.
I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 12.000,00 EUR)
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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683,80 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
703,80 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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133,72 EUR |
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Gesamt |
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837,52 EUR |
II. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 6.000,00 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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439,40 EUR |
2. |
anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV, 0,65 aus 6.000,00 EUR |
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-219,70 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
239,70 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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45,54 EUR |
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Gesamt |
|
285,24 EUR |
III. Rechtsstreit
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 12.000,00 EUR) |
|
683,80 EUR |
2. |
anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV, 1,3 aus 6.000,00 EUR |
|
-439,40 EUR |
3. |
anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV |
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0,65 aus 12.000,00 EUR |
-341,90 EUR |
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./. bereits im Beweisverfahren angerechnete |
219,70 EUR |
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|
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-122,20 EUR |
4. |
Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 12.000,00 EUR) |
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631,20 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
773,40 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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146,95 EUR |
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Gesamt |
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920,35 EUR |
III. Geringerer Gebührensatz in nachfolgender Angelegenheit
Kommt die Anrechnung der Geschäftsgebühr bei dem ersten nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht voll zum Tragen, weil der Gebührensatz der erst nachfolgenden Angelegenheit unterhalb der Hälfte des anzurechnenden Gebührensatzes liegt, so ist der nicht verbrauchte Anrechnungsbetrag auf ein anschließendes weiteres Verfahren anzurechnen, wenn die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Verfahrens auf die des weiteren Ver...