Die Praxis hat immer wieder Probleme, den einzuklagenden (restlichen) materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer zu berechnen, wenn vorgerichtlich eine Teilregulierung erfolgt ist und der Versicherer aus dem erledigten Teilwert auch die Anwaltskosten bereits ersetzt hat. Dabei hat der BGH diese Frage schon in 2014 entschieden (AGS 2014, 325).
Am besten lässt sich dies anhand eines praktischen Falls erläutern.
Beispiel
Durch einen Verkehrsunfall ist dem Geschädigten an seinem Fahrzeug ein Sachschaden i.H.v. insgesamt 10.000,00 EUR entstanden. Er beauftragt einen Anwalt, der 10.000,00 EUR beim gegnerischen Haftpflichtversicherer anmeldet sowie die daraus anfallenden Rechtsverfolgungskosten i.H.v.
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
745,40 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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141,63 EUR |
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Gesamt |
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887,03 EUR |
Der Haftpflichtversicherer ist der Auffassung, dass sich der Geschädigte ein Mitverschulden i.H.v. 40 % anrechnen lassen müsse, und reguliert auf der Basis einer 60 % Haftung. Er zahlt also 6.000,00 EUR sowie:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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460,20 EUR |
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(Wert: 6.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
480,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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91,24 EUR |
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Gesamt |
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571,44 EUR |
Nunmehr erteilt der Geschädigte seinem Anwalt den Auftrag, den Restschaden einzuklagen, und zwar zuzüglich der restlichen vorgerichtlichen Kosten.
Früher war es üblich, den Restbetrag in der Hauptsache (4.000,00 EUR) einzuklagen und daraus eine Geschäftsgebühr geltend zu machen. So ist auch der Anwalt in dem vom BGH entschiedenen Fall vorgegangen und hatte die restlichen 4.000,00 EUR sowie eine 1,3-Geschäftsgebühr aus 4.000,00 EUR eingeklagt:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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327,60 EUR |
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(Wert: 4.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
347,60 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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66,04 EUR |
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Gesamt |
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413,64 EUR |
Diese Berechnung, der das AG noch gefolgt war, ist unzutreffend und vom LG sowie vom BGH auch zu Recht verworfen worden.
Einheitlicher Kostenerstattungsanspruch
Dem Geschädigten steht nur ein einheitlicher Schadensersatzanspruch zu. Er kann nur einmal die ihm durch die Regulierung seines Schadens entstandenen Kosten ersetzt verlangen.
Nur eine Geschäftsgebühr aus dem Gesamtwert
Zu diesen Anwaltskosten zählt aber nur eine Geschäftsgebühr aus dem Gesamtwert. Der Anwalt kann dem Geschädigten nicht zwei Einzelgebühren aus den erledigten Teilwerten in Rechnung stellen. Dies würde gegen § 15 Abs. 2 RVG verstoßen. Abgerechnet werden kann insgesamt nur einmal und zwar aus dem Auftragswert. Erstattet werden kann auch nur einmal, und zwar aus dem Erledigungswert.
Wird teilweise nach einem vorläufigen Erledigungswert reguliert, dann ist dieser Betrag von der Schadenssumme abzuziehen; der Restbetrag kann dann noch verlangt werden.
Ebenso wie in der Hauptsache nur die Differenz eingeklagt wird,
Gesamtschaden |
10.000,00 EUR |
abzüglich Teilzahlung |
– 6.000,00 EUR |
Rest |
4.000,00 EUR |
Nur die Differenz ist einzuklagen
ist auch bei den Anwaltsgebühren vorzugehen. Es ist wie folgt zu rechnen:
Gesamtkostenschaden |
887,03 EUR |
abzüglich Kosten Teilregulierung |
– 571,44 EUR |
Restbetrag |
315,59 EUR |
Nur dieser Restbetrag darf noch eingeklagt werden.
Ein Rechtsanwalt kann die Gebühr gem. Nr. 2300 VV auch dann nur einmal aus dem Gesamtgegenstandswert und nicht zweimal aus (dann niedrigeren) Teilgegenstandswerten verlangen, wenn die von ihm für seinen Mandanten geltend gemachte Forderung außergerichtlich nur teilweise erfüllt wird und ihm deshalb für den noch offenen Teil der Forderung Klageauftrag erteilt wird.
BGH, Urt. v. 20.5.2014 – VI ZR 396/13, AGS 2014, 325 = RVGreport 2014, 391
Auf diese Art und Weise wird gewährleistet, dass der Geschädigte einerseits seine vollen Kosten erstattet erhält, andererseits der Schädiger aber nicht mehr als die Gesamtvergütung, die der Geschädigte seinem Anwalt schuldet, zahlen muss.
So, wie der Anwalt gerechnet hat, hätten sich die Kostenerstattungsansprüche i.H.v.
Kosten aus 6.000,00 EUR |
532,22 EUR |
Kosten aus 4.000,00 EUR |
+ 413,64 EUR |
Gesamt |
945,86 EUR |
ergeben, also mehr als der Mandant mit 887,03 EUR seinem Anwalt überhaupt schuldet.
Restlicher Kostenerstattungsanspruch muss nicht eingeklagt werden
Eine andere Frage ist es, ob es wirklich immer sinnvoll ist, die (restliche) Geschäftsgebühr mit einzuklagen. In Kfz-Haftpflichtsachen ist dies an sich nicht erforderlich. Hat der Versicherer einen Teilbetrag gezahlt, dann sollten aus diesem Teilbetrag auch zunächst die Kosten außergerichtlich angefordert werden. Den Restbetrag der Kosten ebenfalls einzuklagen, ist eigentlich nicht erforderlich und bereitetet nur unnötigen Aufwand. Ist der Rechtsstreit später abgeschlossen, steht der Gesamterledigun...