Zusätzliche Gebühr entsteht bei Einstellung des Verfahrens
In Straf- und Bußgeldsachen erhält der Anwalt eine zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV und Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV, wenn er an einer Einstellung des Verfahrens mitwirkt. Lange Zeit war umstritten, ob für eine solche Mitwirkung bereits die Berufung auf ein Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten bzw. Betroffenen ausreicht.
Berufung auf Aussageverweigerungsrecht kann zusätzliche Gebühr auslösen
Zum Teil wurde die Berufung auf ein Aussageverweigerungsrecht als "bloßes Nichtstun" abgetan, das nicht zu einer zusätzlichen Gebühr führen könne. Andere Gerichte haben dagegen zu Recht darauf abgestellt, dass gerade die Berufung auf ein Aussageverweigerungsrecht und die dahingehende Beratung des Mandanten für eine Einstellung entscheidend sein kann, nämlich dann, wenn der Beschuldigte oder der Betroffene das einzige Beweismittel ist, das in Betracht kommt, und der Staatsanwaltschaft bzw. der Bußgeldbehörde keine andere Möglichkeit bleibt, als das Verfahren einzustellen, wenn der Beschuldigte bzw. der Betroffene keine Angaben macht. Der BGH hat zuletzt bestätigt, dass die Berufung auf ein Aussageverweigerungsrecht ausreichen kann (AGS 2011, 128 = Rpfleger 2011, 296 = zfs 2011, 285 = JurBüro 2011, 244 = NJW 2011, 1605 = AnwBl 2011, 499 = NZV 2011, 337 = DAR 2011, 434 = NJW-Spezial 2011, 187 = VRR 2011, 118 = BRAK-Mitt 2011, 91 = RVGprof. 2011, 85 = StRR 2011, 83 = RVGreport 2011, 182 = StRR 2011, 201 = MDR 2011, 392).
Beispiel
In einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht gibt es Zeugen, die das Kennzeichen des flüchtigen Fahrzeugs erkannt haben, nicht aber auch den Fahrer. Es wird gegen den Halter als vermeintlichen Fahrer ermittelt. Sein Verteidiger beruft sich auf das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten. Daraufhin stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, da weitere Beweismittel nicht vorhanden sind.
Der Verteidiger hat auch eine zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV verdient.
Ursächlichkeit ist nicht erforderlich
Soweit der BGH darüber hinaus fordert, die Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht müsse auch ursächlich gewesen sein – es müsse also feststehen, dass das Verfahren nicht ohnehin eingestellt worden wäre –, geht dies zu weit, da die Mitwirkung i.S.d. Nrn. 4141, 5115 VV keine Ursächlichkeit voraussetzt, sondern lediglich eine begleitende Mitwirkung des Verteidigers erfordert.
Berufung auf Aussageverweigerungsrecht muss erkennbar sein
Streit über die Berechtigung der zusätzlichen Gebühr ergibt sich häufig dann, wenn der Verteidiger für den Beschuldigten oder Betroffenen gar keine Angaben macht. In diesem Fall ist für die Staatsanwaltschaft bzw. die Verfolgungsbehörde nicht ersichtlich, ob der Beschuldigte oder Betroffene sich auf ein Aussageverweigerungsrecht beruft oder ob vielleicht doch später noch mit einer Einlassung zu rechnen ist. Wird dann eingestellt, dürfte es in der Regel an einer Mitwirkung des Verteidigers fehlen, weil die Staatsanwaltschaft bzw. Verfolgungsbehörde in diesem Fall gar nicht weiß, ob der Betroffene oder Beschuldigte von seinem Aussageverweigerungsrecht tatsächlich Gebrauch macht und die Einstellung dann in der Regel aus anderen Gründen erfolgt (so zu Recht AG Hamburg-Barmbek AGS 2011, 596 = JurBüro 2011, 365 = RVGprof. 2011, 86 = VRR 2011, 199 = StRR 2011, 207).
Hinweis
Daher ist es wichtig, dass der Verteidiger ausdrücklich erklärt, dass sich der Beschuldigte oder der Betroffene auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft. Sobald dies geschieht, erkennt die Staatsanwaltschaft, dass dieses Beweismittel für sie unergiebig bleiben wird. Stellt sie daraufhin das Verfahren ein, wird immer von einer Mitwirkung des Verteidigers auszugehen sein.