Leitsatz
Für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels kann Beratungshilfe nicht bewilligt werden.
AG Forchheim, Beschl. v. 24.5.2018 – 5 UR II 165/18
1 Der Fall
Der Rechtsuchende war in einem gerichtlichen Verfahren, für das ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, in erster Instanz unterlegen. Er hat daraufhin beim AG Beratungshilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht einer möglichen Berufung beantragt. Der Rechtspfleger hat den Antrag zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
Gericht lehnt Beratungshilfe ab
Die Beratungstätigkeit wegen der Erfolgsaussichten der Berufung sei bereits mit der PKH-Vergütung im Verfahren abgegolten (vgl. § 19 RVG). Die vom Antragsteller dargelegte Sichtweise, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht ein weitergehender Tatbestand sei, der nur dann die Beratungshilfe ausschließe, wenn für die Berufung Prozesskostenhilfe bewilligt werde, sei nicht nachvollziehbar. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt noch vor der Berufungseinlegung über die Erfolgsaussichten zu beraten habe. Weshalb diese Tätigkeit dann dem zweitinstanzlichen Verfahren zugeordnet werden soll, ist nicht verständlich. Der Antrag auf Beratungshilfe habe deshalb zurückgewiesen werden müssen.
Praxishinweis
Wenn man solche Begründungen liest, weiß man nicht, ob der Rechtspfleger das RVG nicht verstanden hat oder ob er sich nur so stellt, um die Beratungshilfe wieder einmal ablehnen zu können. Von einem Blick ins Gesetz oder der Prüfung der Rechtsprechung hält er offenbar auch nichts.
Gesonderte Vergütung als Wahlanwalt
Wird ein Anwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels beauftragt, so erhält er hierfür als Wahlmandat die gesonderte Vergütung nach den Nr. 2100 ff. VV. Wie sich bereits aus der Ansiedelung der Gebührentatbestände in Teil 2 VV ergibt, handelt es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit. Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe kann jedoch nur für ein gerichtliches Verfahren bewilligt werden, so dass diese von vornherein ausscheiden, wenn sich der Auftrag des Anwalts auf die Prüfung der Erfolgsaussicht beschränkt.
Prozesskostenhilfe kann nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO nur für den jeweiligen Rechtszug (im kostenrechtlichen Sinne) bewilligt werden, nicht aber für eine außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts "zwischen den Instanzen" (Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, Nr. 2100 VV).
BGH, Beschl. v. 25.4.2007 – XII ZB 179/06, AGS 2007, 360 = AnwBl 2007, 634
Urkundsbeamter ist an zu Unrecht erfolgte Bewilligung gebunden
Hat das Gericht allerdings zu Unrecht für die Prüfung der Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe bewilligt, ist der Urkundsbeamte im Festsetzungsverfahren daran gebunden.
Der Urkundsbeamte ist an den Inhalt und Umfang der richterlichen Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung gebunden. Seine Prüfungskompetenz erstreckt sich nicht auf die Frage, ob die Bewilligung und Beiordnung durch das Gericht zu Recht erfolgt sind.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2006 – II-10 WF 11/06, AGS 2006, 482 = RVGreport 2007, 67
Prüfung wird nicht durch vorinstanzliche Tätigkeit abgegolten
Soweit der Rechtspfleger der Auffassung ist, die Tätigkeit auf Prüfung der Erfolgsaussicht sei nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 RVG mit den vorinstanzlichen Gebühren abgegolten, trifft dies nicht zu. Abgesehen davon, dass dies nur den Fall betreffen kann, dass der Anwalt bereits vorinstanzlich tätig war, ist diese Argumentation unzutreffend. Zur vorinstanzlichen Tätigkeit gehört die Entgegennahme der betreffenden Entscheidung und ihre Weiterleitung an den Mandanten (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG). Ebenfalls gehört es noch zur vorgerichtlichen Tätigkeit, den Mandanten über den Inhalt und die Auswirkung der betreffenden Entscheidung aufzuklären sowie über die möglichen Rechtsmittel, die einzulegen sind. Die Beratung über die Erfolgsaussicht eines möglichen Rechtsmittels gehört dagegen nicht mehr zum Rechtszug der Vorinstanz. Wäre dies der Fall, dann wäre die Vorschrift der Nr. 2100 VV überflüssig. Sie könnte allenfalls für die Anwälte von Bedeutung sein, die vorinstanzlich nicht tätig waren. Nach der Rechtsprechung gilt Nr. 2100 VV aber unabhängig davon, ob der Anwalt in der Vorinstanz tätig war oder nicht.
Die Gebühr nach Nr. 2200 VV a.F. (jetzt Nr. 2100 VV) kann auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten erfolgt.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2006 – II-10 WF 11/06, AGS 2006, 482 = RVGreport 2007, 67
Dies ist der wesentliche Unterschied gegenüber der Vorgängervorschrift des § 20 Abs. 2 BRAGO, die den vorinstanzlichen Anwalt schon tatbestandsmäßig ausschloss.
Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels umfasst auch andere Fragestellungen als jene, die sich in erster Instanz stellen. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, ob der Mandant Recht hat, sondern auch darauf, ob er in der zweiten Instanz noch Recht bekommen kann. So können sich hier u.a. Fragen der Antragsänderung, die Zulässigkeit neuen Vorbringens oder neuer Beweisanträge etc. ...