Leitsatz
Ein Anwalt darf einen Vorschuss in Höhe sämtlicher bereits entstandener und voraussichtlich noch entstehender Gebühren und Auslagen anfordern. Wird der Vorschuss nicht gezahlt, ist der Anwalt berechtigt, das Mandat niederzulegen.
OLG Bamberg, Beschl. v. 17.1.2011 – 1 W 63/10
1 I. Der Fall
Der Anwalt hatte Mutter und Sohn vertreten, die gesamtschuldnerisch aus einem Bürgschaftsvertrag verklagt worden waren. Er hatte für beide die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Der Mutter wurde Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Sohn wurde zurückgewiesen. Zuvor hatte der Anwalt bereits von dem Sohn einen Vorschuss angefordert, und zwar in Höhe der bereits angefallenen Verfahrensgebühr nebst Auslagen sowie einer Terminsgebühr. Daraufhin beauftragte der Sohn einen anderen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren nach Klagerücknahme beantragten die Beklagten die Erstattung ihrer Anwaltskosten. Dabei machte der Sohn geltend, es sei hier notwendig gewesen, den Anwalt zu wechseln, da dieser eine übersetzte Kostenvorschussnote erstellt und eingefordert habe. Daher sei er gezwungen gewesen, einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen.
2 II. Die Entscheidung
Anwaltswechsel war nicht notwendig
Das LG ist davon ausgegangen, dass beide Beklagten sich durch einen einzigen gemeinsamen Anwalt hätten vertreten lassen können und dass die Beendigung des Mandatsvertrages durch den Sohn nicht notwendig war.
Vorschussrecht erstreckt sich auf alle voraussichtlich anfallenden Gebühren und Auslagen
Ein Anwalt darf einen Vorschuss in Höhe der angefallenen und voraussichtlich noch anfallenden Gebühren und Auslagen anfordern. Er ist weder verpflichtet, den Vorschuss auf die bereits angefallene Vergütung zu beschränken, noch muss der Vorschuss hinter den voraussichtlich anfallenden Gebühren zurückbleiben. Der Vorschuss soll die gesamten Vergütungsansprüche des Anwalts absichern. Der Anwalt soll nicht in die Gefahr geraten, später seinem Geld hinterherlaufen zu müssen.
3 III. Der Praxistipp
Vorschussrecht ist nicht auf bereits entstandene Vergütung beschränkt
Die Entscheidung des OLG ist insoweit zutreffend, als ein Anwalt einen Vorschuss in Höhe sämtlicher in Betracht kommender Gebühren und Auslagen anfordern darf. Ein Anwalt ist keinesfalls verpflichtet, seinen Vorschuss auf entstandene Gebühren zu beschränken.
Beschränkung des Vorschussrechts durch PKH des Streitgenossen?
Das Gericht geht hier allerdings nicht darauf ein, ob und inwieweit das Vorschussrecht dadurch eingeschränkt war, dass der Mutter Prozesskostenhilfe bewilligt worden war und ihr gegenüber ein Vorschuss nicht hätte gefordert werden dürfen (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Zwar hat der Anwalt gegenüber der Mutter keinen Vorschuss geltend gemacht und jeder Auftraggeber haftet nach § 7 Abs. 2 RVG insoweit, als er haften würde, wenn er den Auftrag alleine erteilt hätte. Hier stand aber fest, dass die Hälfte der Gebühren aus der Landeskasse zu zahlen sein werde, so dass die Mutter nicht hätte in Anspruch genommen werden können. Diese Anspruchssperre würde aber unterlaufen, wenn der Sohn auf den vollen Vorschuss in Anspruch genommen worden wäre. Er hätte dann von seiner Mutter hälftigen Ausgleich verlangen können, da insoweit § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht greift. Man könnte daher durchaus die Auffassung vertreten, das Recht auf Vorschuss der Höhe nach auf den Anteil des Sohnes zu begrenzen, hier also auf die Hälfte der Wahlanwaltsvergütung.