Einführung
Zu dem nach einem Verkehrsunfall zu ersetzenden Schaden zählen grundsätzlich auch die für die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche aufgewandten Anwaltskosten.
Anwaltskosten richten sich nach dem Gegenstandswert
Die Höhe der Anwaltskosten richtet sich nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG). Dieser wiederum bestimmt sich nach dem erteilten Auftrag. Insoweit ist es unerheblich, ob und inwieweit sich die geltend gemachten Ansprüche durchsetzen lassen. Der Anwalt wird nicht für den Erfolg bezahlt, sondern für seine Tätigkeit.
Soweit sich die Schadensersatzansprüche nicht durchsetzen lassen, kann dies aber dann Einfluss auf die Höhe der Anwaltsgebühren haben, wenn der Anwalt schuldhaft dazu geraten hat, überhöhte Ansprüche geltend zu machen. In diesem Fall steht seinem Vergütungsanspruch ein Schadensersatzanspruch gegenüber, der den Gebührenanspruch wieder zu Fall bringt.
Erstattung richtet sich nach dem Erledigungswert
Demgegenüber richten sich die vom Schädiger und dessen Versicherer zu ersetzenden Anwaltsgebühren nach dem sog. Erledigungswert. Darunter ist die Summe aller berechtigten Ansprüche aus dem Schadensfall zu verstehen. Dieser Wert kann vom Gegenstandswert abweichen, nämlich dann, wenn aufgrund einer Mitverschuldens- oder Mitverursachungsquote nur ein Teil der Ansprüche reguliert wird oder wenn sich einzelne Schadenspositionen der Höhe nach nicht durchsetzen lassen und der Geschädigte Abzüge von seinen Vorstellungen hinnehmen muss.
Zu beachten ist insoweit, dass es nicht darauf ankommt, was letztlich an den Mandanten gezahlt worden ist. Maßgebend ist die Summe der berechtigten Ansprüche.
Soweit der Versicherer nur teilweise zahlt, etwa wegen einer Mithaftungsquote oder weil er die Ansprüche der Höhe nach kürzt, schuldet der Mandant den Restbetrag, also die Gebührendifferenz zwischen Auftrags- und Erledigungswert. Unzutreffend wäre es, aus dem nicht erledigten Wert eine gesonderte Rechnung zu schreiben (BGH AGS 2014, 325 = MDR 2014, 864 = Schaden-Praxis 2014, 279 = Rpfleger 2014, 557 = VersR 2014, 1100 = JurBüro 2014, 475 = zfs 2014, 585 = NJW-RR 2014, 1341 = NZV 2014, 567 = NJW-Spezial 2014, 476 = RVGreport 2014, 391 = DAR 2014, 615 = BRAK-Mitt 2014, 265= RVGprof. 2015, 3).
Hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Schadenspositionen gilt im Einzelnen Folgendes:
1
Beispiel
Der Anwalt rät zu einer Schmerzensgeldforderung von 50.000,00 EUR, obwohl allenfalls 10.000,00 EUR realistisch sind. Der Mandant folgt diesem Rat und erteilt einen entsprechenden Auftrag.
Zwar berechnet sich der Gebührenanspruch zunächst nach dem Wert von 50.000,00 EUR wegen Anwaltsverschuldens, kann der Anwalt den Mandanten jedoch nur auf Gebühren i.H.v. 10.000,00 EUR in Anspruch nehmen.
2
Beispiel
Der Mandant hat einen Schaden i.H.v. 20.000,00 EUR erlitten. Der Anwalt rät 100% des Schadens einzufordern, was dann auch geschieht. Aufgrund der unklaren Sachlage hätte wegen der eigenen Betriebsgefahr nur zu einer Haftungsquote von 50% geraten werden dürfen.
Zwar berechnet sich der Gebührenanspruch zunächst nach dem Wert von 10.000,00 EUR wegen Anwaltsverschuldens, kann der Anwalt den Mandanten jedoch nur auf Gebühren i.H.v. 10.000,00 EUR in Anspruch nehmen.
3
Beispiel
Der Mandant hat einen Schaden i.H.v. 15.000,00 EUR erlitten. Die Haftungsquote beträgt 100%. Da der Versicherer die Haftung zunächst bestreitet, wird der Kaskoversicherer i.H.v. 14.400,00 EUR (abz. 600,00 EUR Selbstbeteiligung) in Anspruch genommen. Später zahlt der Versicherer die restlichen 600,00 EUR.
Zwar sind nur 600,00 EUR aus dem Haftpflichtmandat an den Mandanten gezahlt worden. Berechtigt waren aber Ansprüche i.H.v. 15.000,00 EUR, so dass dies der Erledigungswert ist.
4
Beispiel
Durch einen Verkehrsunfall ist dem Geschädigten an seinem Fahrzeug ein Sachschaden in Höhe von insgesamt 10.000,00 EUR entstanden. Er beauftragt einen Anwalt, der die 10.000,00 EUR beim gegnerischen Haftpflichtversicherer anmeldet sowie die daraus anfallenden Rechtsverfolgungskosten in Höhe von
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
|
725,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
745,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
141,63 EUR |
|
Gesamt |
|
887,03 EUR |
Der Haftpflichtversicherer ist der Auffassung, dass sich der Geschädigte ein Mitverschulden in Höhe von 40% anrechnen lassen müsse, und reguliert auf der Basis einer 60%-Haftung. Er zahlt also 6.000,00 EUR sowie:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
|
460,20 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
480,20 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
91,24 EUR |
|
Gesamt |
|
571,44 EUR |
Vom Mandanten kann der Anwalt jetzt noch verlangen:
Gesamtkostenschaden |
887,03 EUR |
abzüglich Teilregulierung |
- 571,44 EUR |
Restbetrag |
315,59 EUR |
Unzutreffend wäre es, die Gebühren aus den restlichen 4.000,00 EUR abzurechnen:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 4.000,00 EUR) |
|
327,60 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
347,60 EUR |
|
3. |
19 % Ums... |