I. Überblick
Verbundverfahren ist eine Angelegenheit
Das gesamte Verbundverfahren, also die Ehesache und die Folgesachen, ist gem. § 16 Nr. 4 RVG eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, so dass der Anwalt seine Gebühren nur einmal aus den nach § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG zusammengerechneten Werten erhält.
Ehesache und Folgesachen sind zusammenzurechnen
Der Verfahrenswert eines Scheidungsverbundverfahrens bemisst sich gem. § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG nach der Summe der Werte von Ehe- und Folgesachen. Die Werte von Ehe- und Folgesachen sind zunächst gesondert zu ermitteln und dann zusammenzurechnen (§ 44 Abs. 2 S. 2 u. 3 FamGKG).
Für die Ehesache und die einzelnen Folgesachen gelten die Wertvorschriften, die für die isolierten Verfahren gelten. Lediglich für bestimmte Kindschaftssachen als Folgesachen ist im Verbundverfahren ein von den isolierten Verfahren abweichender Wert vorgesehen (§ 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG).
II. Ehesache
1. Scheidung
Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind maßgebend
Der Wert der Scheidungssache ist in § 43 FamGKG geregelt. Der Verfahrenswert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen (§ 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Maßgebend für die Bewertung sind die Umstände bei Antragseinreichung (§ 34 RVG). Spätere Veränderungen der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sind unerheblich.
Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten vor Antragseinreichung erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen (§ 43 Abs. 2 FamGKG).
Mindest- und Höchstwert
Der Wert darf nicht unter 3.000,00 EUR und nicht über eine 1 Mio. EUR angenommen werden (§ 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG).
2. Wechselseitige Scheidungsanträge
Die Werte wechselseitiger Scheidungsanträge werden nicht addiert (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG).
Beispiel 1: Wechselseitige Scheidungsanträge
Die Ehefrau reicht die Scheidung ein. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 1.000,00 EUR. Vermögen und Kinder sind nicht vorhanden. Ein halbes Jahr später stellt der Ehemann einen Widerantrag auf Scheidung der Ehe. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt zu diesem Zeitpunkt 3.000,00 EUR, das der Ehefrau 2.000,00 EUR.
Der Wert des Scheidungsantrags der Frau ist mit (2.000,00 EUR + 1.000,00 EUR) x 3 = 9.000,00 EUR zu bewerten. Da der Widerantrag des Ehemanns denselben Gegenstand betrifft, ist gem. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG nicht zu addieren; es gilt vielmehr grundsätzlich der höhere Wert.
Für den Wert des Widerantrags gilt jetzt aber nicht § 34 FamGKG mit der Folge, dass auf die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Widerantrags abzustellen wäre, also (3.000,00 EUR + 2.000,00 EUR) x 3 = 15.000,00 EUR. Maßgebend ist aber nach § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Zeitpunkt der ersten Antragstellung, so dass es auch für den Widerantrag auf Scheidung bei dem Wert von 9.000,00 EUR bleibt und damit insgesamt nur ein Verfahrenswert in Höhe von 9.000,00 EUR festzusetzen ist.
3. Sonstige Ehesachen
Für sonstige Ehesachen, die im Verbund geführt werden, sind ebenfalls nach § 43 FamGKG zu bewerten. Es gelten die gleichen Bewertungskriterien wie zur Scheidungssache.
4. Mehrere Ehesachen
Sind mehrere Ehesachen (z.B. Aufhebung der Ehe und Scheidung), so sind die Werte jeder Ehesache bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Antragstellung gesondert zu bewerten (§ 34 FamGKG). Anschließend sind die Werte zusammenzurechnen (OLG Zweibrücken AGS 2002, 38 = FamRZ 2002, 156 u. 255 = OLGR 2001, 49), es sei denn, einer der Anträge ist nur hilfsweise gestellt. Dann wird nur addiert, wenn über den hilfsweise gestellten Antrag entschieden wird (§ 39 Abs. 1 S. 2, 3 FamGKG).
III. Folgesachen
1. Versorgungsausgleich
Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich (§§ 217 ff. FamFG) ist in § 50 FamGKG geregelt. Diese Regelung gilt auch für den Scheidungsverbund.
10% des dreifachen Nettoeinkommens je Anrecht
Für jedes Anrecht ist ein Betrag in Höhe von 10 % des dreifachen Nettoeinkommens beider Ehegatten anzusetzen, wenn Folgesache der Wertausgleich bei der Scheidung ist.
Ausgleichsansprüche nach der Scheidung sind zwar nicht von Amts wegen Gegenstand des Verbundverfahrens. Sie sind aber auf Antrag verbundfähig, wenn ausnahmsweise zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung die Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG vorliegen (Münch-Komm-FamFG/Heiter, § 137 Rn 71). Für diesen Fall ist für jedes auszugleichende schuldrechtliche Anrecht ein Betrag in Höhe von 20 % des dreifachen Nettoeinkommens beider Ehegatten anzusetzen.
Beispiel 2: Versorgungsausgleich, mehrere Anrechte
Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 1.000,00 EUR. Vermögen und Kinder sind nicht vorhanden. Beide Ehegatten haben jeweils eine gesetzliche Anwartschaft; der Ehemann darüber hinaus noch eine betriebliche Altersversorgung.
Verfahrensgegenstand sind drei Anrechte, so dass für jedes Anrecht 10 % des dreifachen Nettoeinkommens der Eheleute anzusetzen ist. Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beläuft sich somit auf 3 x 10 % x 3 x (2.000,00 EUR + 1.000,00 EUR) = 2.700,00 EUR. Der ...