1. Überblick
Im Fall des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil ist hinsichtlich einer Verwerfungsentscheidung danach zu differenzieren, ob das Gericht den Einspruch als zulässig ansieht oder nicht.
2. Einspruch ist zulässig – Verwerfung durch Zweites Versäumnisurteil
a) Überblick
Bei zulässigem Einspruch ist Termin anzuberaumen
Im Fall eines zulässigen Einspruchs ist Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache anzuberaumen (§ 341a ZPO). Bleibt der Gegner in diesem Termin wiederum säumig, wird sein Einspruch durch Zweites Versäumnisurteil verworfen (§ 345 ZPO). Hier sind wiederum drei Fälle zu unterscheiden.
b) Erster Fall: Der Anwalt hat das erste Versäumnisurteil in mündlicher Verhandlung erwirkt
Terminsgebühr erstarkt auf 1,2
Erwirkt ein Anwalt sowohl das erste als auch das zweite Versäumnisurteil, so erhält er im Gegensatz zur BRAGO für das zweite Versäumnisurteil keine gesonderte Terminsgebühr. Er erhält auch nicht etwa zwei 0,5-Terminsgebühren (eine für das erste Versäumnisurteil und eine für das zweite Versäumnisurteil). Vielmehr "erstarkt" die erste 0,5-Gebühr im zweiten Termin zu einer vollen 1,2-Terminsgebühr.
Dem Prozessbevollmächtigten, der sowohl das erste als auch das Zweite Versäumnisurteil erwirkt, steht eine 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV, nicht nur eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV zu.
BGH, Beschl. v. 18.7.2006 – XI ZB 41/05, AGS 2006, 487 = NJW 2006, 2927 = AnwBl 2006, 675 = Rpfleger 2006, 625 = JurBüro 2006, 639 = MDR 2007, 178 = RVGreport 2006, 428
Ein Rechtsanwalt, der in einem zweiten Termin den Erlass eines "Zweiten Versäumnisurteils" beantragt, erhält eine 1,2-Terminsgebühr, auf welche die 0,5-Terminsgebühr für den ersten Termin, in dem das erste Versäumnisurteil beantragt wurde, zu verrechnen ist.
BGH, Beschl. v. 26.9.2006 – XI ZB 19/06, FamRZ 2006, 1836 = RVGreport 2007, 31 u. 268
Die Vorschrift der Nr. 3105 VV setzt voraus, dass der Rechtsanwalt nur einen Termin wahrgenommen hat, die Vorschrift findet also keine Anwendung, wenn der Rechtsanwalt in einem zweiten Verhandlungstermin ein Zweites Versäumnisurteil erwirkt hat.
OLG Köln, Beschl. v. 21.6.2006 – 17 W 126/06, AGS 2006, 372
OLG München, Beschl. v. 8.2.2006 – 11 W 659/06, AGS 2006, 161
OLG Celle, Beschl. v. 24.2.2005 – 2 W 36/05, AGS 2005, 188 = NJW 2005, 1283
Beispiel 1
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR erscheint der Beklagte B im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, sodass der Anwalt R des Klägers K gegen ihn antragsgemäß ein Versäumnisurteil erwirkt. Dagegen legt B Einspruch ein. Zum zweiten Termin erscheint er wiederum nicht, sodass der Einspruch auf Antrag des R durch Zweites Versäumnisurteil verworfen wird.
Abzurechnen war nach dem ersten Versäumnisurteil wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrengsgebühr, Nr. 3100 VV |
|
725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
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2. |
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV |
|
279,00 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.024,40 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
194,64 EUR |
|
Gesamt |
|
1.219,04 EUR |
Durch den zweiten Termin erstarkt die erste 0,5-Gebühr zu einer vollen 1,2-Terminsgebühr. Danach ergibt sich folgende weitere Vergütung:
1. |
1,3-Verfahrengsgebühr, Nr. 3100 VV |
|
725,40 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
669,60 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
4. |
abzgl. bereits abgerechneter (netto) |
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– 1.024,40 EUR |
|
Zwischensumme |
390,60 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
74,21 EUR |
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Gesamt |
|
464,81 EUR |
|
Gesamtsumme |
|
1.683,85 EUR |
Wäre im ersten Termin trotz Versäumnisurteils bereits die volle 1,2-Terminsgebühr ausgelöst worden (s. zuletzt OLG Frankfurt AGS 2017, 45), dann hätte der Anwalt im Einspruchstermin keine weitere Gebühr mehr erhalten. Am Gesamtergebnis hätte das aber nichts geändert.
Beispiel 2
Wie Beispiel 1; jedoch ist im ersten Termin vor dem Versäumnisurteil mit dem Gericht erörtert worden.
Jetzt ist im ersten Termin bereits die volle 1,2-Terminsgebühr entstanden. Durch den zweiten Termin entsteht keine weitere Vergütung (§ 15 Abs. 2 RVG). Abzurechnen ist insgesamt wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrengsgebühr, Nr. 3100 VV |
|
725,40 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
669,60 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
268,85 EUR |
|
Gesamt |
|
1.683,85 EUR |
c) Zweiter Fall: Anwalt hat das erste Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erwirkt
1,2 auch bei erstem Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
Ist das erste Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nach §§ 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO ergangen, ist ebenso abzurechnen. Auch hier erstarkt die bisherige 0,5-Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV zu einer vollen 1,2-Terminsgebühr.
Ist nach Erlass eines Versäumnisurteils und nach Einspruch durch den Gegner dieser im daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch ordnungsgemäß vertreten, so ist für die Terminsgebühr Nr. 3104 VV einschlägig. Aus dem Umstand, dass das erste Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO erging, ergibt sich nichts anderes.
BGH, Beschl. v. 7.6.2006 – VIII ZB 108/05, AGS 2006, 366 = F...