Einführung
Mitunter kommt es vor, dass die Bußgeldbehörde auf Einspruch hin den Bußgeldbescheid aufhebt und ihn durch einen neuen Bußgeldbescheid gegen denselben Betroffenen ersetzt. Dies kommt häufig dann vor, wenn die Behörde erkennt, dass der erste Bußgeldbescheid inhaltlich unzutreffend war und der Fehler durch den Neuerlass des Bußgeldbescheides korrigiert werden soll.
I. Eine oder zwei Angelegenheiten?
Zunächst stellt sich die Frage, ob für den Verteidiger eine oder zwei Angelegenheiten vorliegen.
Eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG
Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten. Es liegt nur eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor. Das gesamte Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde bis zur Abgabe der Akten an das AG einschließlich des Zwischenverfahrens bei der Staatsanwaltschaft ist eine einzige Angelegenheit (Vorbem. 5.1 Abs. 1; Vorbem 5.1.2 Abs. 1 VV).
Rücknahme und Neuerlass führen nicht zu neuer Angelegenheit
Mit der Rücknahme eines Bußgeldbescheids und dessen Ersetzung durch einen neuen Bußgeldbescheid beginnt nicht etwa ein neues Ermittlungsverfahren. Dieser "Austausch" des Bußgeldbescheides findet im Bußgeldverfahren selbst statt. Die Rücknahme eines Bußgeldbescheides und sein Neuerlass sind vergleichbar mit der Berichtigung einer gerichtlichen Entscheidung, die nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 RVG ebenfalls keine gesonderte Angelegenheit auslöst. Der Verteidiger kann daher seine Gebühren nur einmal verdienen.
Tätigkeit kann im Rahmen des § 14 RVG zu berücksichtigen sein
Eine andere Frage ist, ob die Rücknahme und der Neuerlass des Bußgeldbescheides gegebenenfalls im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG gebührenerhöhend zu berücksichtigen sind, weil hierdurch Mehraufwand entsteht. Auch der neue Bescheid muss wiederum geprüft werden etc. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalls bei der Gebührenbestimmung, nicht aber eine Frage der Angelegenheit.
II. Zusätzliche Gebühr
Zusätzliche Gebühr ist möglich
Wird ein Bußgeldbescheid auf Einspruch des Verteidigers zurückgenommen und durch einen neuen Bußgeldbescheid ersetzt, kann allerdings nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 5115 VV eine zusätzliche Gebühr entstehen, nämlich dann, wenn dieser Bußgeldbescheid akzeptiert wird, hiergegen also nicht erneut Einspruch eingelegt wird.
In diesem Fall hat der Verteidiger durch seine Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren bereits daran mitgewirkt, dass eine fehlerhafte Entscheidung korrigiert wird und es insoweit nicht der Durchführung der Hauptverhandlung mehr bedarf, weil der neue korrigierte Bußgeldbescheid angenommen wird.
Diese Tätigkeit des Anwalts, im Bußgeldverfahren bereits darauf hinzuweisen, dass ein fehlerhafter Bescheid durch einen zutreffenden Bescheid ersetzt wird, belohnt das RVG mit einer zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 VV.
Keine zusätzliche Gebühr bei erneutem Einspruch
Wird allerdings gegen den neuen Bußgeldbescheid wiederum Einspruch eingelegt, kann eine zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 5115 VV nicht entstehen. Insoweit kommt aber die zusätzliche Gebühr nach den übrigen Varianten der Anm. zu Nr. 5115 VV in Betracht, also bei späterer Einspruchsrücknahme, Einstellung des Verfahrens oder Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG.