Leitsatz
Bestreitet der Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG den vom Rechtsanwalt zugrunde gelegten Gegenstandswert, der noch nicht gerichtlich festgesetzt worden ist, so ist das Verfahren zunächst nach § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen, bis die fehlende Wertfestsetzung nachgeholt worden ist.
LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.8.2012 – 3 Ta 130/12
1 I. Der Fall
Der Anwalt hatte nach Abschluss des durch Vergleich erledigten arbeitsgerichtlichen Verfahrens gem. § 11 RVG die Festsetzung seiner Vergütung gegen den eigenen Auftraggeber beantragt. Dabei legte der Anwalt den vom Gericht gem. einer richterlichen Verfügung beabsichtigten Gegenstandswert zugrunde, der aber noch nicht festgesetzt worden war. Der Auftraggeber bestritt den vom Anwalt zugrunde gelegten Gegenstandswert. Das ArbG hat daraufhin den Festsetzungsantrag zurückgewiesen und ausgeführt, dass die vom Antragsgegner vorgetragenen Einwendungen nicht im Gebührenrecht begründet seien, so dass die Kostenfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen sei. Dagegen hat der Anwalt Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass § 11 Abs. 5 RVG hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Gegenstandswertfestsetzung zutreffend sei, nicht einschlägig sei. Die Frage der Wertfestsetzung betreffe eine rein gebührenrechtliche Frage.
Das ArbG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Bei fehlendem Wert ist Vergütungsfestsetzung auszusetzen
Das ArbG hat verkannt, dass bei streitigem Wert der anwaltlichen Tätigkeit das Verfahren nach § 11 Abs. 4 RVG zwingend auszusetzen ist, bis die fehlende Wertfestsetzung nachgeholt worden ist. Daher war die Zurückweisung des Antrags fehlerhaft, so dass sie aufzuheben und die Sache an das ArbG zurückzugeben war. Dieses wird nunmehr das Verfahren auszusetzen und die fehlende Festsetzung des Gegenstandswertes nachzuholen haben.
3 III. Der Praxistipp
Einwand zum Gegenstandswert ist gebührenrechtlicher Natur
Der Einwand, dass der zugrunde gelegte Gegenstandswert nicht zutreffend sei, ist ein gebührenrechtlicher Einwand, da er seine Grundlage im anwaltlichen Gebührenrecht hat (§§ 2 Abs. 1, 22 ff. RVG). Das Gericht hat daher im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG nicht nur zu prüfen, ob der Ansatz der Gebühren und Auslagen zutreffend ist; es hat vielmehr auch zu prüfen, ob die jeweiligen Gebühren nach dem Gegenstand angefallen sind, nach dem sie berechnet worden sind.
Keine Kompetenz der Festsetzungsorgane
Dabei haben die Festsetzungsorgane aber keine eigene Kompetenz, den Wert selbst zu ermitteln. Sie sind vielmehr an die Wertfestsetzung des Gerichts im Ausgangsverfahren gebunden (siehe §§ 32 Abs. 2, 33 RVG). Fehlt es an einem solchen Wert, ist also noch kein Wert festgesetzt, dann ist die Vergütungsfestsetzung nach § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen und die fehlende Wertfestsetzung nachzuholen.
Aussetzung auch bei bestrittenem Wert
Gleiches gilt, wenn zwar eine Wertfestsetzung vorliegt, eine Partei aber die Richtigkeit der Wertfestsetzung bestreitet. Auch dann ist nach § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen und der betreffenden Partei Gelegenheit zu geben, gegen die gerichtliche Wertfestsetzung Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe einzulegen.
Analoge Anwendung im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO
Die Pflicht zur Aussetzung besteht in analoger Anwendung des § 11 Abs. 4 RVG auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO, wenn dort der Wert streitig ist (OLG Düsseldorf AGS 2010, 568).