Leitsatz
Eine an den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt vorprozessual gezahlte Geschäftsgebühr ist gem. § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung anzurechnen.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.2012 – 14 W 88/12
1 I. Der Fall
Vorgerichtlich hatte der Anwalt dem Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 1.079,00 EUR ausgehend von einem Gegenstandswert von 31.500,00 EUR in Rechnung gestellt, die der Kläger auch zahlte. Nachdem das LG dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung des Antragstellers bewilligt hatte, beantragte der Antragsteller gem. § 47 RVG die Festsetzung eines Vorschusses in Höhe von 861,32 EUR, wobei er u.a. ausgehend von einem Gegenstandswert von mehr als 30.000,00 EUR eine 1,3-Verfahrensgebühr i.H.v. 508,30 EUR nebst anteiliger Umsatzsteuer berechnete. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die an den Anwalt zu zahlende Vergütung auf 558,88 EUR fest. Dabei zog sie eine 0,65-Geschäftsgebühr in Höhe von 254,15 EUR nach der Tabelle des § 49 RVG ab. Hiergegen legte der Antragsteller Erinnerung ein, mit der er an seinem Antrag auf Vorschusszahlung in voller Höhe festhielt. Die Erinnerung wurde vom LG zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde half das LG ab und setzte den Vorschuss antragsgemäß fest. Hiergegen legte nunmehr die Landeskasse Beschwerde ein, mit der sie eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG erstrebte. Sie ist der Auffassung, die Anrechnung entfalle auch nicht infolge der Bestimmung des § 58 Abs. 2 RVG.
2 II. Die Entscheidung
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Anwalt kann auch von der Landeskasse einen Vorschuss verlangen
Unstreitig steht dem Anwalt nach § 47 Abs. 1 S. 1 RVG für die entstandenen, aber noch nicht fälligen Gebühren sowie für die voraussichtlich entstehenden Auslagen ein angemessener Vorschuss gegen die Landeskasse zu.
Der Anspruch auf Vorschuss erstreckt sich hier auf die bereits entstandene 1,3-Verfahrensgebühr, die das LG zutreffend auf 861,32 EUR festgesetzt hat.
Eine Anrechnung der vorprozessual gezahlten 1,3-Geschäftsgebühr kommt nicht in Betracht.
Anrechnung scheitert nicht an § 15a RVG
Eine Anrechnung scheitert allerdings nicht schon an § 15a Abs. 2 RVG. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung einer Geschäftsgebühr zwar nur unter den dort genannten Voraussetzungen berufen; die Landeskasse ist im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedoch nicht Dritter in diesem Sinne, sondern nach § 45 Abs. 1 S. 1 RVG unmittelbarer Gebührenschuldner und tritt insoweit an die Stelle des Mandanten.
Soweit strittig ist, ob eine vom PKH-Anwalt verdiente Geschäftsgebühr schon dann anzurechnen ist, wenn sie entstanden ist, oder ob eine Anrechnung nur dann in Betracht kommt, wenn die Geschäftsgebühr von der bedürftigen Partei gezahlt worden ist, konnte dies hier offen bleiben, da die Geschäftsgebühr jedenfalls gezahlt worden war.
Ergibt sich danach grundsätzlich eine Anrechnungspflicht auch für den beigeordneten Anwalt, ist jetzt aber § 58 Abs. 2 RVG zu berücksichtigen. Danach sind in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV bestimmen, Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht.
Die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 RVG liegen vor, denn der Anwalt hat die Geschäftsgebühr von der bedürftigen Partei vor seiner Beiordnung erhalten.
Gegenauffassung ist nicht mehr haltbar
Teilweise wird allerdings die Auffassung vertreten, § 58 Abs. 2 RVG stehe einer anteiligen Anrechnung der um die Hälfte verminderten Geschäftsgebühr auf die von der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr nicht entgegen. Die Vorschrift regle lediglich, in welcher Weise eine nicht durch die Staatskasse geleistete Zahlung an den beigeordneten Rechtsanwalt zu berücksichtigen sei. Sie habe aber weder Einfluss auf die Entstehung und die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren noch bestimme sie den Umfang der von der Landeskasse zu zahlenden Gebühren. Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift sei es, das nachfolgende Gebührenaufkommen zu reduzieren. Das müsse auch gegenüber der Landeskasse gelten, da diese anderenfalls durch den Anrechnungsausschluss belastet würde (OLG Düsseldorf AGS 2009, 123 = JurBüro 2009, 188 = OLGR 2009, 303; OLG Frankfurt/M., 18. Zivilsenat, Beschl. v. 12.2.2010 – 18 W 3/10).
Überwiegende Auffassung wendet § 58 Abs. 2 RVG an
Ganz überwiegend wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass nach § 58 Abs. 2 RVG der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung zu verrechnen sei.
Anrechnung zunächst auf Differenz zwischen Wahl- und Pflichtanwaltsvergütung
Das OLG Frankfurt folgt dieser zweiten Auffassung. Sie entspricht dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 RVG, ...