RVG §§ 48 Abs. 1, 55; ZPO §§ 114, 121
Leitsatz
Im Vergütungsfestsetzungsverfahren sind Sachverhalte, die das Gericht bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe geprüft hat oder hätte prüfen müssen, bindend.
OLG Schleswig, Beschl. v. 12.2.2008–15 WF 14/08
Sachverhalt
Der durch seine Prozessbevollmächtigte vertretene Kläger reichte insgesamt Unterhaltsabänderungsklagen gegen seine geschiedene Ehefrau, seinen volljährigen Sohn und seine volljährige Tochter ein. Die drei Verfahren wurden unter den Aktenzeichen 5 F 139/07, 5 F 140/07 und 5 F 141/07 registriert. In den Verfahren 5 F 140/07 und 5 F 141/07 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten bewilligt. Im Verfahren gegen seine geschiedene Ehefrau wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe versagt.
Die beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt in den beiden Verfahren 5 F 140/07 und 5 F 141/07 getrennt die Festsetzung und Erstattung ihrer Prozesskostenhilfevergütungen.
Das AG hat dem Erstattungsantrag in beiden Verfahren nur insoweit stattgegeben, als die Kosten auch bei gemeinsamer Prozessführung entstanden wären. Es hat ausgerechnet, dass bei einem Gesamtstreitwert der drei Verfahren in Höhe von 10.224,00 EUR 755,65 EUR aus der Staatskasse zu vergüten wären. Die Einzelhonorare betragen insgesamt 1.725,51 EUR. Im Verhältnis des Streitwerts in diesem Verfahren zum Gesamtstreitwert entfallen auf dieses Verfahren 183,70 EUR. Das AG hat die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 183,70 EUR festgesetzt.
Das AG ist der Auffassung, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht die Prüfung kostensparender Prozessführung im Vergütungsfestsetzungsverfahren hindere. Denn bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe werde nicht sogleich über die Notwendigkeit der entstandenen und später noch entstehenden Anwaltsvergütung entschieden. Die Prüfung der Erstattungsfähigkeit bleibe dem Festsetzungsverfahren vorbehalten. Dabei seien dieselben Maßstäbe wie bei der Kostenfestsetzung gem. § 104 ZPO i.V.m. § 91 ZPO anzulegen. Denn es sei nicht nachvollziehbar, warum einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, weniger Kostenbewusstsein abverlangt werden solle als einer Partei, der keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei. Die Notwendigkeit einer getrennten Prozessführung sei nicht überzeugend dargelegt worden. Der Kläger verfolge gleichartige Abänderungsansprüche gem. § 323 ZPO gegen die beklagte Partei sowie gegen die geschiedene Ehefrau und ein Geschwisterkind. Die Voraussetzungen, diese Abänderungsansprüche in einem Prozess geltend zu machen, lägen vor, § 60 ZPO. Daran ändere nichts, dass sowohl die beklagte Partei als auch das weitere beklagte Kind jeweils volljährig seien.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Begründung, dass die Prozesskostenhilfe uneingeschränkt bewilligt worden sei. Daher seien Gebühren auch ohne Abzug festzusetzen. Ob der Bewilligungsbeschluss sachlich richtig sei, werde im Festsetzungsverfahren nicht geprüft. Die Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Das FamG hat nach § 114 ZPO zu prüfen, ob die Klage mutwillig ist. Mutwillig handelt auch, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., Rn 34, 34 a zu § 114 ZPO). In diese Fallgruppe gehört auch, dass in einer Familiensache eine Abänderungsklage wegen Unterhalts gegen drei Beklagte in getrennten Prozessen erhoben werden soll, ohne dass ein vernünftiger Grund für die getrennte Prozessführung vorliegt. Die getrennte Prozessführung im Unterhaltsprozess ist deshalb schon oft nicht zweckmäßig, weil die Unterhaltsansprüche in der Regel voneinander abhängen. Wenn jedoch Prozesskostenhilfe für die getrennte Prozessführung bewilligt worden ist, kann diese nicht im Rahmen der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung wieder eingeschränkt werden.
Die Frage, ob eine gebührenrechtliche Beschränkung der Bewilligung bzw. Beiordnung im Bewilligungsbeschluss zu treffen oder erst im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu beachten ist, lässt sich nicht allgemein und verbindlich für alle denkbaren Fälle beantworten. Da gem. dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 RVG der Bewilligungsbeschluss vorrangig und der Festsetzungsbeschluss von diesem abhängig ist, muss jedenfalls gelten, dass Sachverhalte, die das Gericht bei der Bewilligung geprüft hat oder hätte prüfen müssen, für das Festsetzungsverfahren bindend sind. Diese Gegenstände dürfen dann im Rahmen der Gebührenfestsetzung nicht mehr in Zweifel gezogen oder abweichend beurteilt werden. Dieses (zwangsläufige) Ergebnis erschließt sich bereits bei einer unbefangenen Lektüre des Wortlauts der einschlägigen Vorschriften (§ 121 ZPO, § 48 RVG). Der Urkundsbeamte kann Aufgaben des Gerichts nicht wahrnehmen. Die Entscheidung des Gerichts kann den Urkundsbeamten bei der Gebührenfestsetzung jedoch nur binden, soweit sie sich auf den Umfang der Prozesskostenhilfe oder der Bei...