RVG §§ 48 Abs. 1, 55; ZPO §§ 114, 121

Leitsatz

  1. Ein Anwalt ist verpflichtet, bei mehreren ihm erteilten Mandaten zur Erhebung jeweils einer Kündigungsschutzklage gegen denselben Arbeitgeber diese in einem Sammelverfahren zu betreiben, um Kosten zu sparen.
  2. Er muss sogar für eine gemeinsame Auftragserteilung werben.
  3. Ist den Klägern für getrennte Klageverfahren jeweils Prozesskostenhilfe bewilligt worden, bindet diese Bewilligung nicht, im späteren Kostenfestsetzungsverfahren die Vergütung nur einmal aus dem Gesamtwert festzusetzen.

ArbG München, Beschl. v. 15.12.2008–36 Ca 11064/06, 36 Ca 11063/06, 36 Ca 11062/06, 36 Ca 11061/06

Sachverhalt

Die vier Kläger erhoben durch ihren Prozessbevollmächtigten am 4.8.2006 jeweils eine gesonderte Klage auf Vergütungszahlung und auf Arbeitspapiere. Der Streitwert für die Verfahren wurde auf 8.937,50 EUR, 8.500,00 EUR, 8.292,00 EUR, und 8.735,00 EUR festgesetzt. Den Klägern wurde mit Wirkung vom 4.8.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt und derselbe Rechtsanwalt als Prozessvertreter beigeordnet.

Später beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung. Die Urkundsbeamtin teilte daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, die Gebühren gegen die Staatskasse nicht für jedes Verfahren gesondert, sondern insgesamt für alle vier Verfahren festzusetzen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers machte im Wesentlichen geltend, dass die vier Verfahren nicht verbunden worden seien. Für die von ihm gewählte Verfahrensgestaltung hätten auch vernünftige Gründe i.S.d. Rspr. des LAG München vorgelegen. Denn der Prozessbevollmächtigte sei schon wegen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht gehindert, eine gemeinsame Klage zu erheben. Es sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Die Kläger seien nicht verpflichtet gewesen, einander ihre Verhältnisse zu offenbaren, wie es bei einem gemeinsamen Prozess unvermeidlich gewesen wäre. Die Kläger seien nicht verpflichtet gewesen, sich zusammenzuschließen und gemeinsam einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Getrennte Verfahren würden auch schneller erledigt. Zudem hätte eine subjektive Klagehäufung dazu geführt, dass jeder Kläger die jeweils anderen nicht mehr als Zeugen hätte benennen können. Die Klageaufträge seien auch nicht gemeinschaftlich erteilt worden. Subjektive Klagehäufung sei auch nicht mehr zweckmäßig, wenn Unübersichtlichkeit oder Verwirrung drohe.

Die Bezirksrevisorin beantragte, die Vergütungsansprüche zurückzuweisen. Sämtliche Kläger der 23 vom Prozessbevollmächtigten betriebenen Verfahren seien griechisch-pontischer Abstammung. Die Klagen seien innerhalb weniger Tage verfasst und eingereicht worden. Ihnen liege derselbe Lebenssachverhalt zu Grunde. Die Gebühren seien aus dem zusammengerechneten Wert sämtlicher Verfahren zu berechnen. Diese seien bereits beglichen; es liege sogar eine Überzahlung vor.

Die Anträge auf Festsetzung der Vergütung wurden zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte nur teilweise Erfolg.

Aus den Gründen

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger ist gegenüber der Staatskasse so zu stellen, als hätte er die vier vorliegenden Klagen im Wege subjektiver Klagenhäufung in einem Verfahren anhängig gemacht. In diesem Falle wären aus einem Gesamtstreitwert in Höhe von 34.454,00 EUR folgende Gebühren und Auslagen angefallen:

 
Praxis-Beispiel
 
1,3-Verfahrensgebühr 508,30 EUR
1,2-Termingebühr 46,20 EUR
Auslagenpauschale 20,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer 159,52 EUR

Dies ergibt sich aus folgenden Rechtsgrundsätzen: Die Staatskasse ist nicht verpflichtet, zu Lasten des Steuerzahlers Kosten zu tragen, die bei Beachtung der Grundsätze wirtschaftlicher Prozessführung nicht entstanden wären (vgl. LAG München, Beschl. v. 14.2.2007–10 Ta 124105; 2.2.2007–10, Ta 117/05; 20.7.2006–10 Ta 170/05; 5.1.2006–10 Ta 293/04; 7.10.2005–10 Ta 454/03; 25.1.2005–10 Ta 136/03), Gebühren, die erst dadurch entstehen, dass Streitgegenstände in gesonderten Klagen geltend gemacht werden, sind daher nicht zu erstatten, wenn dies nicht dem Zweck entsprechender Rechtsverfolgung entsprach.

Dies folgt daraus, dass mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht darüber entschieden ist, in welcher Höhe dem beigeordneten Rechtsanwalt Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen. Erst im Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 55 Abs. 1 RVG wird darüber entschieden, welche Ansprüche in welcher Höhe die Staatskasse treffen. Die Rechtslage ist ebenso wie bei der Kostenfestsetzung aufgrund einer Kostenentscheidung im Urteil. Dort werden der unterliegenden Partei die Kosten ohne Einschränkung auferlegt, gleichwohl ist im Rahmen der Kostenfestsetzung zu prüfen, welche Kosten erstattungsfähig sind. Die Folgen der Prozesskostenhilfebewilligung ergeben sich aus § 122 ZPO i.V.m. §§ 45 ff. RVG. Die Vorschriften gelten nicht isoliert, sondern sind eingebettet in die Grundsätze des Kostenrechts im Zivilprozess. Zu diesen Prinzipien gehört auch der tragende Grundsatz der Verfahrensverbilligung. Offenkundig überflüssigerweise gesetzte Gebührentatbestände führe...

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