RVG VV Nr. 3104; VwGO § 68

Leitsatz

Für Telefongespräche zwischen Behörden und Anwalt, die sich nicht auf reine Sachstandsfragen beschränken, entsteht eine Terminsgebühr.

OVG Bremen, Beschl. v. 23.7.2008–2 S 458/07

Sachverhalt

Die Kläger hatten am 7.8.2006 Klage erhoben mit dem Begehren auf höheres Pflegegeld. Mit Schriftsätzen vom 27.10.2006 und 8.11.2006 haben die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt. Daraufhin hat das VG das Verfahren eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Kostenbeamtin des VG unter Absetzung einer Erledigungsgebühr die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt und die weitere Festsetzung einer Terminsgebühr abgelehnt. Die dagegen erhobene Kostenerinnerung hat das VG zurückgewiesen. Zur Begründung führt das VG aus, dass eine Terminsgebühr nicht entstanden sei. Der Prozessbevollmächtigte habe mehrfach mit dem Sachbearbeiter der Behörde wegen seines Akteneinsichtsgesuchs telefoniert; der Sachbearbeiter habe diesen Sachverhalt auf telefonische Nachfrage bestätigt. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte durch Verhandlungen auf die Behörde eingewirkt habe, die ursächlich für die geänderte Entscheidung der Behörde gewesen seien.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die geltend machen, die Kostenbeamtin habe zu Unrecht die Terminsgebühr abgesetzt. In den mit der Behörde geführten Gesprächen sei es immer um die Beendigung des laufenden Widerspruchs- bzw. Klageverfahren gegangen. Zum Zeitpunkt des ersten Telefongesprächs am 17.7.2006 sei noch nicht klar gewesen, dass die Widerspruchsbehörde zu Gunsten der Kläger entscheide. Zudem habe der Sachbearbeiter der Beklagten durchweg die Auffassung vertreten, dass bei dem Pflegekind ein heilpädagogischer Pflegebedarf nicht vorliege. Es dürfe als allgemein bekannt unterstellt werden, dass Gespräche und Verhandlungen, die ein Anwalt mit der Gegenseite führe, grundsätzlich darauf ausgerichtet seien, eine Lösung der Angelegenheit im Sinne der Mandanten zu erreichen. Da der Sachbearbeiter noch am 11.10.2006 eine ablehnende Haltung gehabt habe, liege es auf der Hand, dass das andauernde Insistieren ihres Prozessbevollmächtigten zur Beendigung des Verfahrens beigetragen habe.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Entgegen der Ansicht des VG steht dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die geltend gemachte Terminsgebühr zu.

Nach Vorbem. 3 Abs. 3 i. V. mit Nr. 3104 VV verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr in Höhe eines Gebührensatzes von 1,2 unter anderem durch die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.

Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr und erweitert den Anwendungsbereich der Terminsgebühr. Der Rechtsanwalt soll in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Solche Besprechungen sind bisher nicht honoriert worden (BT-Drucks 15/1971 S. 209).

Eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung – die auch telefonisch geführt werden kann – setzt den Austausch von Erklärungen voraus mit dem konkreten Ziel, das Streitverfahren einvernehmlich zu beenden. Dies setzt die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.12.2005–15 W 53/05; OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19.12.2006–6 W 78/06 [= AGS 2008, 26]).

Gespräche, die allein der Nachfrage nach dem Sachstand des Verfahrens oder der Informationsbeschaffung dienen, sind nicht geeignet, eine Terminsgebühr auszulösen (OLG Köln, Beschl. v. 8.3.2007–17 W 37/07 [= AGS 2008, 28]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., Vorb. 3 VV Rn 95; Mayer/Kroiß/Mayer, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 3 Rn 52).

Eine Terminsgebühr entsteht auch dann nicht, wenn die Behörde der Gegenseite von sich aus oder auf deren Nachfrage lediglich mitteilt, dass sie aufgrund eines behördeninternen Entscheidungsprozesses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein angefochtener Verwaltungsakt aufzuheben oder eine begehrte Leistung zu bewilligen ist. Eine solche Mitteilung ist keine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung. Das gilt auch für den Fall, dass die Gegenseite zur Abgabe einer Erledigungserklärung aufgefordert wird. Erwartet die Behörde von der Gegenseite hingegen ein Entgegenkommen oder Tätigwerden, wie beispielsweise eine Kostenübernahme, die Klagerücknahme oder sonstige ...

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