RVG § 33; RVG VV Vorbem. 4 Abs. 4
Leitsatz
- Für die Gewährung des (Haft-)Zuschlages gem. Vorbem. 4 Abs. 4 VV kommt es nur darauf an, dass sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aber darauf, ob die Unfreiheit aus dem gegenständlichen oder einem anderen Verfahren resultiert.
- Die Zulassung der Beschwerde muss in dem anzufechtenden Beschluss ausgesprochen worden sein. Eine nachträgliche Zulassung ist unbeachtlich.
OLG Hamm, Beschl. v. 13.10.2009–2 Ws 185/09
Sachverhalt
Das AG Bochum hatte den Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger bestellt. Später wurde der Angeklagte wegen Strafvollstreckung in anderer Sache in der JVA inhaftiert.
Nach Abschluss des Strafverfahrens – zu dieser Zeit befand sich der Angeklagte immer noch in der zuvor genannten Sache in Haft –, beantragte der Rechtsanwalt die ihm entstandenen Pflichtverteidigergebühren festzusetzen. Diese bezifferte er unter Einschluss eines Haftzuschlages.
Die Rechtspflegerin des AG setzte die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung fest, wobei sie die Haftzuschläge unter Begründung auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 6.6.2005–2 (s) Sbd. VIII 110/05 [= AGS 2005, 437] – absetzte. Ein Haftzuschlag könne nur für diejenige Sache berechnet werden, in welcher der Mandant eingesessen habe; dem Akteninhalt nach habe der Mandant aber in anderer Sache eingesessen.
Gegen diesen Beschluss legte der Rechtsanwalt Erinnerung ein, die unter Hinweis auf die zitierte Senatsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Gegen diesen Beschluss wandte sich der Rechtsanwalt mit seinem "Rechtsmittel".
Die Richterin des AG ergänzte daraufhin den Beschluss im Hinblick auf die Nichterreichung des Beschwerdewertes des § 33 Abs. 3 S. 1 RVG dahin, dass gem. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die Beschwerde zugelassen werde.
Die Strafkammer des LG, auf die die Sache vom Einzelrichter übertragen worden war, hob den Beschluss des AG auf und gewährte dem Verteidiger den ursprünglich geltend gemachten Haftzuschlag und ließ die weitere Beschwerde zu.
Gegen diesen Beschluss des LG wandte sich nunmehr der Bezirksrevisor mit der weiteren Beschwerde, die auch Erfolg hatte.
Aus den Gründen
Die Verwaltungsabteilung des OLG Hamm hat zu der weiteren Beschwerde u.a. wie folgt Stellung genommen:
Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingereicht worden (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 6, 3 S. 3 RVG). In der eigentlichen Rechtsfrage des Haftzuschlages, der vom AG und LG die grundsätzliche Bedeutung zugemessen wurde, ist der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung m.E. allgemein uneingeschränkt beizupflichten. Die insoweit im Mittelpunkt der Kernfrage stehende Entscheidung des OLG Hamm v. 6.6.2005 – (2 (s) Sbd VIII – 110/05), in der eine Gebühr mit Haftzuschlag für das hinzuverbundene Verfahren verneint wurde, weil der Mandant nur wegen des "führenden" Verfahrens in Haft genommen worden war, ist m.E. weder mit dem Sinn noch mit dem Wortlaut des RVG zu vereinbaren. Der die Entscheidung verfassende Einzelrichter des damalig zuständigen Strafsenats hat seiner Entscheidung auch bereits in der 1. Aufl. seines herausgegebenen Kommentars RVG – Straf- und Bußgeldsachen (vgl. Vorbem. 4 Rn 82 f., 81 in der 1. Aufl. von 2004, wdh. in der Rn 89 f., 87 in der 2. Aufl. von 2007) widersprochen.
Nach ganz h.M. muss sich der Beschuldigte nicht in der Sache in Haft befinden, in der ihn der Rechtsanwalt verteidigt. Auch wenn er sich in anderer Sache in (Untersuchungs-)Haft befindet, entstehen deswegen selbstverständlich Erschwernisse für den Rechtsanwalt, die die Anwendung der Zuschlagsgebühr rechtfertigen. Mit dem Zuschlag sollen nämlich die Schwierigkeiten bzw. Erschwernisse, die der Rechtsanwalt hat, um Zugang zu seinem Mandanten zu bekommen, um sich mit diesem zu besprechen, insbesondere also Besuche in der Justizvollzugsanstalt abgegolten werden. Von der a.M. (vgl. auch Gerold/Schmidt/Burhoff, VV Vorbem. 4 Rn 46; Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 4. Aufl. 2008, Autor: N. Schneider, Vorbem. 4 RVG Rn 46; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 14. Aufl. 2009, Autor: Baumgärtel, Vorbem. 4 Rn 22 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu Teil 4 VV, BT-Drucks 15/1971, S. 221; BeckOK RVG, Autor: Kotz, Vorbem. 4 Rn 95 f.) abweichende Kommentarstellen sind mir nicht bekannt.
Somit ist auch die beschriebene Korrespondenz, in der der Verfasser der kritisierten Entscheidung vom 6.6.2005 und Herausgeber des o.a. Kommentars die Entscheidung als eine "unzweifelhafte Fehlentscheidung" gewertet haben mag, nachvollziehbar.
Die vom Bezirksrevisor herangezogene Entscheidung des BVerfG v. 28.9.1995 (2 BvR 1499/95) steht dem nicht entgegen. Sie befasst sich mit einer gerichtlichen Entscheidung zu einer Vorschrift der damaligen BRAGO, zu der es zum einstigen Zeitpunkt noch keine feste Auslegungspraxis gab. Die heutige a.M. zur Anwendung der Gewährung des Haftzuschlages im RVG wird m.E. fast ausnahmslos angewandt. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht die hier vertretene Auffassung au...