RVG VV Nrn. 4101, 4107, 4109, Vorbem. 4 Abs. 4

Leitsatz

Allein der stationäre Aufenthalt eines Angeklagten in einer staatlichen Drogentherapieeinrichtung i.S.d. § 35 BtMG begründet noch nicht die Zubilligung der Zuschlagsgebühren nach den Nrn. 4101, 4107 und 4109 VV.

LG Wuppertal, Beschl. v. 19.6.2009–23 Qs 90 Js 6437/07–122/09

Sachverhalt

Der Verteidiger des früheren Angeklagten, hatte im Hinblick auf den Umstand, dass dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung der Widerruf der Bewährung drohe und der Angeklagte sich zurzeit in einer "staatlichen Drogentherapie-Einrichtung i.S.d. § 35 BtMG" befinde, beantragt, ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Im Hauptverhandlungstermin wurde er daraufhin dem Angeklagten gem. § 140 StPO ohne weitere Begründung als Pflichtverteidiger beigeordnet und das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt.

Tatsächlich wohnte der frühere Angeklagte nach Kostenübernahme gem. § 53 SGB XII stationär in der sozialtherapeutischen Einrichtung sozialtherapeutisches Wohnheim, Pferdepension O, einer Einrichtung für chronisch Suchtkranke, nachdem er sich zuvor bereits mehrere Jahre lang im "Ambulant betreuten Wohnen der C GmbH" befunden hatte und nunmehr erstmalig auf eigenen Wunsch eine stationäre Maßnahme durchführen wollte. Diese Einrichtung hatte dem Verteidiger bestätigt, dass sie im Falle einer Maßnahme nach § 35 BtMG mit der zuständigen Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten werde. Erst durch späteren Beschluss des AG wurde der Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG zugestimmt und in dieser Sache gem. § 36 Abs. 1 BtMG die Zeit des Aufenthaltes des Verurteilten in einer staatlichen anerkannten Therapieeinrichtung als anrechnungsfähig auf die Strafe erklärt.

Nach Abschluss des Verfahrens begehrte der Verteidiger des früheren Angeklagten die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen. Dabei setzte der Verteidiger die Grund-, die Verfahrens- und die Terminsgebühr mit Zuschlag gem. Nrn. 4101, 4107 bzw. 4109 VV an, da der frühere Angeklagte sich nicht auf freiem Fuß befunden habe. Das AG setze die zu erstattenden Gebühren und Auslagen unter Abzug des sog. "Haftzuschlags" fest. Durch richterlichen Beschluss wurde die hiergegen eingelegte Erinnerung des Verteidigers nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde gegen diese Entscheidung zugelassen.

Die dagegen eingelegte Beschwerde des Verteidigers, der das AG nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Die Kammer teilt die vom AG in dem angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung. Ein Anspruch auf Festsetzung des geltend gemachten Gebührenzuschlags besteht nicht.

Die Grund-, die Verfahrens- und die Terminsgebühr entstehen nur dann mit Zuschlag gem. Nrn. 4101, 4107 und 4109 VV, wenn der Mandant sich während des Zeitraums, für den die entsprechende Gebühr entsteht, nicht auf freiem Fuß – und beispielsweise in Haft oder Unterbringung nach PsychKG in einer geschlossenen Anstalt – befindet. Die Kammer teilt die Auffassung des AG, dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen ist, weil der vormalige Angeklagte sich in einer freiwilligen stationären Maßnahme, nicht jedoch in einer beispielsweise der Haft oder Untersuchungshaft oder Unterbringung nach PsychKG entsprechenden unfreiwilligen Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt befand (vgl. dazu auch OLG Bamberg, Beschl. v. 7.9.2007–1 Ws 584/07; LG Berlin, Beschl. v. 17.8.2007–546 StVK 482/06 [= AGS 2007, 562]).

Der vormalige Angeklagte war in der Wohneinrichtung O zu Bedingungen untergebracht, die in ihren Auswirkungen auf das Mandatsverhältnis nicht die zusätzlichen besonderen Erschwernisse einer geschlossenen Unterbringung mit sich zogen und selbst den weniger schweren Auswirkungen einer Unterbringung im offenen Vollzug nicht vergleichbar waren.

Die Aufnahme erforderte die Aufnahmebereitschaft und Zustimmung der Einrichtung. Der vormalige Angeklagte benötigte eine Kostenzusage gem. § 53 SGB XII. Er schloss einen Heimvertrag für die vollstationäre, nicht aber geschlossene Unterbringung mit der Einrichtung ab. Danach erhielt er einen Haustürschlüssel und Zimmerschlüssel, die Bestandteil einer zentralen Schließanlage waren und die ihn befähigten, nicht nur sein persönliches Zimmer, sondern auch die gesamte stationäre Einrichtung jederzeit zu verlassen. Danach war in der Regelung zum Leistungsentgelt die Möglichkeit einer vorübergehenden Abwesenheit des vormaligen Angeklagten von der Einrichtung geregelt, die ihm die Möglichkeit auf eine Freihaltung des Heimplatzes sicherte bei Abwesenheit von mehr als drei Tagen bis zu 28 Tagen jährlich. Danach waren die beiden ersten Monate des Vertragsverhältnisses als Probezeit vereinbart. Beide Vertragsparteien, namentlich der vormalige Angeklagte, waren berechtigt, das Vertragsverhältnis durch Kündigung zu beenden.

Den Regelungen dieses Vertragsverhältnisses entsprechend sind die Wirkungen der vollstationären, nicht aber geschlossenen Aufnahme des vormaligen Angeklagten in die Wohneinrichtung nicht mit einer Haftmaßnahme vergl...

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