RVG VV Anm. zu Nr. 3201, Anm. Abs. 2 zu Nr. 3202 VV
Leitsatz
Eine Terminsgebühr gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 i.V.m. Nr. 3210 VV entsteht nicht, wenn nach Ergehen eines Gerichtsbescheids gem. § 90a Abs. 2 FGO mündliche Verhandlung beantragt wird, so dass es an einer Entscheidung durch einen Gerichtsbescheid fehlt.
FG Köln, Beschl. v. 9.2.2009–10 Ko 2120/08, 10 Ko 2598/08
Sachverhalt
Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hatte der BFH die Revision zugelassen und ihr mit Gerichtsbescheid stattgegeben. Dagegen beantragte der Beklagte mündliche Verhandlung. Anschließend gab er dem Klagebegehren statt, so dass der BFH ihm die Kosten des Verfahrens auferlegte.
Der Kläger beantragte daraufhin die Festsetzung der ihm entstandenen Anwaltskosten für das Revisionsverfahren, darunter auch eine Terminsgebühr. Der Urkundsbeamte setzte die Terminsgebühr ab.
Dagegen legte der Kläger Erinnerung ein. Eine Terminsgebühr sei anzusetzen. Der BFH habe für den Fall der Gerichtsgebühren entschieden, dass eine Gebühr für den Gerichtsbescheid nicht dadurch entfalle, dass der Gerichtsbescheid wegen Antrags auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen gelte (Beschl. v. 31.8.2006 – II E 4/06, BFH/NV 2007, 73). Bereits im Analogieschluss könne gefolgert werden, dass das auch für Beratergebühren gelten müsse. Ergehe der Gerichtsbescheid, habe das Gericht ohne mündliche Verhandlung, und zwar durch Gerichtsbescheid, entschieden. Damit sei der Gebührenanspruch des Beraters entstanden. Dieser könne nicht rückwirkend entfallen.
Der Erinnerungsgegner ist dagegen der Auffassung, eine Terminsgebühr sei nicht anzusetzen, da der Gerichtsbescheid aufgrund des Antrags auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen gelte.
Aus den Gründen
Eine Terminsgebühr ist nicht anzusetzen. Nach Nr. 3210 VV ist eine Terminsgebühr grundsätzlich anzusetzen, wenn ein Termin stattgefunden hat. Dies ist unstreitig nicht der Fall gewesen.
Allerdings gelten Nrn. 3210, 3104 VV entsprechend. Nach Anm. Abs. 1 zu 3104 VV entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV) oder ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV, ebenso Anm. Abs. 2 zu Nr. 3202 VV für Verfahren vor dem FG). Eine Terminsgebühr entsteht damit nur dann, wenn durch Gerichtsbescheid "entschieden" wird. Das bedeutet, dass der Gerichtsbescheid als Urteil wirken muss. Gilt der Gerichtsbescheid wegen Antrags auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen, ist nicht durch Gerichtsbescheid entschieden, so dass eine Terminsgebühr nicht entsteht (Keller, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn 52; Hartmann, KostG, 37. Aufl. 2008, VV 3104 Rn 31).
Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist nicht rechtsmissbräuchlich und deshalb unbeachtlich (BFH, Urt. v. 30.3.2006 – V R 12/04, BStBl II 2006, 542). Diese Auffassung des BFH, der sich der Senat anschließt, gilt auch für das Kostenrecht. Die hiergegen vom Erinnerungsführer vorgebrachten Argumente sind nicht durchschlagend.
Die Entscheidung des BFH v. 31.8.2006 – II E 4/06 (BFH/NV 2007, 73), die zu einer Frage der Gerichtskosten ergangen ist, ist nicht auf die Terminsgebühr übertragbar. Nach Nr. 6111 GKG-KostVerz. ermäßigt sich die allgemeine Verfahrensgebühr auf 2,0 bei Zurücknahme der Klage, es sei denn, dass bereits ein Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle "übermittelt" oder "vorausgegangen" ist. Damit macht das Kostenverzeichnis eine "Entscheidung" durch Gerichtsbescheid nicht zur Voraussetzung.
Ebenfalls nicht einschlägig ist das BFH-Urteil v. 8.5.1990 – VII R 116–117/87 (BStBl Teil II 1990, 695). § 72 Abs. 1 S. 1 FGO macht die Klagerücknahme "nach Ergehen eines Gerichtsbescheides" von der Einwilligung des Beklagten abhängig. Auch hier spricht das Gesetz vom "Ergehen" des Gerichtsbescheids und nicht von einer "Entscheidung" durch Gerichtsbescheid.
Aus den unterschiedlichen Gesetzesfassungen entnimmt der Senat, dass die Terminsgebühr nur dann anfällt, wenn der Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid "entschieden" wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Gerichtsbescheid als Urteil wirkt.
Anmerkung
Die Entscheidung ist unzutreffend.
1. Terminsgebühr ist im Revisionsverfahren gar nicht vorgesehen
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid im Revisionsverfahren vor dem BFH (§ 121 i.V.m. § 90a FGO) im Gesetz gar keine Terminsgebühr vorgesehen ist. Nur für das erstinstanzliche Verfahren vor dem FG ist in Anm. Abs. 2 zu Nr. 3202 VV eine Terminsgebühr vorgesehen, wenn durch Gerichtsbescheid entschieden wird. Für das Revisionsverfahren (Nr. 3206 VV) fehlt eine entsprechende Anm. Hier wird nur auf die entsprechende Anwendung der Anmerkung zu Nr. 3104 VV verwiesen. Dort findet sich jedoch keine Regelung zum Gerichtsbescheid, weil Nr. 3104 VV im Verfahren vor dem FG unmittelbar gar nicht gilt (Vorbem. 3.2.1 Nr. 1 VV).
Die entsprechende Anwendung aus der Verweisung auf Anm. Abs. 1 ...