BGB § 249 VVG § 86 RVG § 10
Leitsatz
- Der bloße Vortrag, der Kläger sei rechtsschutzversichert, ist gegenüber einem eingeklagten Kostenerstattungsanspruch unerheblich, solange nicht auch vorgetragen wird, dass der Rechtsschutzversicherer die geltend gemachte Forderung bezahlt habe, da erst mit Zahlung ein Kostenerstattungsanspruch auf diesen übergeht und der Kläger dann nicht mehr Zahlung an sich verlangen kann.
- Das Erfordernis der Rechnungsstellung nach § 10 Abs. 1 RVG betrifft nur die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zum Mandanten des Anwalts. Dagegen setzt ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch keine vorherige Abrechnung nach § 10 RVG voraus.
OLG München, Beschl. v. 13.8.2010 – 10 U 3928/09
1 Sachverhalt
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Die Alleinhaftung der Beklagten ist unstreitig. Das LG hatte den Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Kosten abgewiesen, da hierüber keine ordnungsgemäße Rechnung erteilt worden sei. Abgesehen davon sei der Anspruch auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen, so dass es an der Aktivlegitimation fehle.
Dagegen wendet sich die Klägerin u.a. mit ihrer Berufung. Sie hält den Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten weiterhin für begründet. Das angefochtene Urteil sei insoweit fehlerhaft, weil sich die Aktivlegitimation aus der Gesamtschau des Vortrags der Klägerin ergebe. Im Übrigen habe das LG die Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, weil es auf Zweifel an der Aktivlegitimation nicht hingewiesen habe. Außerdem würde der Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer anwaltschaftlichen Auslagen nach § 67 VVG erst mit der Bezahlung durch die Rechtsschutzversicherung auf diese übergehen, sodass die Beklagte beweisbelastet sei, dass es zu diesem Forderungsübergang gekommen sei.
Den Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten bestreitet die Beklagte weiterhin unter Hinweis auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 10 RVG. Auch habe das LG zutreffend den Nachweis der Aktivlegitimation verneint. In der Sache hatte die Berufung Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Beklagte hat nach § 249 Abs. 1, 2 S. 1 BGB auch die mit der Klage geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.028,36 EUR nebst Zinsen zu ersetzen. Die Beklagte hat jedenfalls in der Berufungsinstanz keine Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten erhoben. Sie bestreitet allerdings die Fälligkeit dieses Anspruchs mit dem Hinweis auf eine fehlende Rechnungsstellung.
Die Erstrichterin hat das klägerische Begehren mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht ausreichend nachgewiesen. Sie hat hierbei nicht nur den Sachvortrag der Parteien, sondern auch grundlegende Beweisregeln verkannt.
1. Nach dem Sach- und Rechtsvortrag der 1. Instanz ist unstreitig, dass die Klägerin jedenfalls zunächst einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen notwendigen Rechtsanwaltskosten erlangt hat. Die Beklagte hat die Erstattungspflicht auch nicht grundsätzlich bestritten sondern lediglich bemängelt, dass eine Kostenrechnung nicht vorliegt und meint, dass es deshalb an einer Fälligkeitsvoraussetzung fehlen würde. Im Übrigen hat sie "interessewahrend" mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin die Kosten bereits bezahlt hat und darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass eine Rechtschutzversicherung eintrittspflichtig sei, eine Aktivlegitimation nicht gegeben sei.
Der Klägervertreter hat hierauf im Schriftsatz erwidert und die Ansicht vertreten, dass weder eine gesonderte Rechnung noch eine Zahlung der Rechtsanwaltskosten durch den Geschädigten Voraussetzung für die Geltendmachung außergerichtlicher Anwaltskosten seien. Vorsorglich rechnete er aber gleichwohl die Kosten seiner Beauftragung ab. In der Folgezeit wurden im erstinstanzlichen Verfahren die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten weder von den Parteivertretern noch dem Gericht thematisiert.
Die Erstrichterin geht damit bereits im Ansatz fehl, wenn sie die Aktivlegitimation der Klägerin für strittig ansieht. Der Beklagtenvortrag in der Klageerwiderung beschränkt sich lediglich auf einen allgemeinen Hinweis, dass für den Fall der Eintrittspflicht einer Rechtsschutzversicherung die Aktivlegitimation nicht gegeben sei. Ein prozessuales Bestreiten der Aktivlegitimation ist hierin auch unter Beachtung des § 138 Abs. 3 ZPO nicht zu sehen.
Im Übrigen hätte es vor der ablehnenden Entscheidung zumindest eines richterlichen Hinweises nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO an beide Parteien bedurft, um die Rechtsverteidigung der Beklagten in diesem Punkt abzuklären und der Klägerin Gelegenheit zu geben, noch entsprechend vorzutragen.
2. Ohnehin würde ein Forderungsübergang auf die Rechtsschutzversicherung erst dann zum Verlust der Aktivlegitimation der Klägerin führen, wenn die Rechtsschutzversicherung tatsächlich Leistungen erbracht hätte § 67 VV G a.F. bzw. § 86 Abs. 1 VV G n.F. Bei einer entsprechenden Behauptung der Beklagtenseite würde es sich deshalb um eine rechtsver...