Das BVerfG hat sich in der letzten Zeit bereits mehrfach mit Fragen zur Bewilligung von Beratungshilfe befasst. Als roter Faden lässt sich erkennen, dass wesentlich für die Frage der Bewilligung ist, ob ein Rechtsuchender, der über ausreichende Mittel zur Rechtsverfolgung verfügt, sich in der Situation des nicht bemittelten Antragstellers anwaltliche Hilfe gesucht hätte. So hat das BVerfG auch Rechtsschutz gegen die gem. §§ 13 ff. SGB I beratungsverpflichteten Sozialbehörden, Sozialversicherern oder Sozialleistungsträgern (im Folgenden zusammenfassend: Behörden) gewährt, wenn bereits eine Antagonistenstellung zwischen dem Rechtsuchenden und der Behörde besteht. Im Falle, dass eine Entscheidung der Behörde getroffen worden ist, ist es dem Rechtsuchenden deshalb nicht zuzumuten, selbst den Widerspruch einzulegen und zu begründen (BVerfG a.a.O., Rn 26). Andererseits hat es zunächst klargestellt, dass von einer Antagonistenstellung nicht bereits bei einer ersten Auskunft, also vor Einleitung eines Antrags- oder Anhörungsverfahrens auszugehen ist (BVerfG v. 12.6.2007 – 1 BvR 1014/07 ‹Rpfleger 2007, 552 = NJW-RR 2007, 1369 = FamRZ 2007, 1963 = RVGreport 2008, 199›).
Später hat es diese Einschränkung insoweit erweitert, als es mehrere Verfassungsbeschwerden wegen der Versagung der Beratungshilfe im Anhörungsverfahren wegen der Rückforderung von ALG II-Leistungen nicht zur Entscheidung angenommen hat. In den diesbezüglichen Entscheidungen hat es angenommen, dass ein bemittelter Rechtsuchender sich in diesem Verfahrensstadium auch deshalb noch keiner anwaltlichen Hilfe bedienen würde, weil er die Rechtsverfolgungskosten in diesem Verfahrensstadium gem. § 63 SGB X noch nicht erstattet erhalten würde und deshalb voraussichtlich noch selbst tätig werden würde. Hieran ist sachlich jedenfalls dann zu zweifeln, wenn der Rechtsuchende nicht nur mit der Rückforderung in existentieller Höhe, sondern zusätzlich mit der Einleitung von Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren bedroht wird oder die Anhörung faktisch bereits in Bescheidform verfasst ist.
Nach diesen Entscheidungen ist der aktuelle Beschluss des BVerfG nicht überraschend. Überraschend ist (wenn auch nicht für regelmäßig Beratungshilfe leistende Rechtsanwälte) allenfalls, dass eine solche Entscheidung notwendig geworden ist. Die Entscheidung des Rechtspflegers ist offensichtlich willkürlich.
Im zur Entscheidung vorliegenden Fall war auf dem Bankkonto eines Empfängers von Sozialgeld eine Pfändung ausgebracht worden. Er hatte sich deshalb mehrfach selbst unter Vorlage des ALG II-Bescheides an verschiedene Mitarbeiter der Bank gewandt, die jedoch nicht bereit waren, den Pfändungsschutz zugunsten des Rechtsuchenden zu beachten. Daraufhin hatte der Rechtsuchende seine Interessen mit anwaltlichem Beistand durchgesetzt. Der Antrag auf nachträgliche Beratungshilfe wurde zurückgewiesen, weil die Inanspruchnahme des Rechtsanwaltes "mutwillig" gewesen sei; der Rechtsuchende hätte das "einfache Schreiben" auch selbst verfassen können.
Dass ein – bemittelter oder unbemittelter – Rechtsuchender in der existenzbedrohenden Situation des Betroffenen verzweifelt ist und sich eben nicht selbst helfen kann, liegt auf der Hand; ebenso, dass die Auseinandersetzung eines Sozialgeldempfängers mit einer Bank bei ihm Ohnmachtsgefühle auslösen wird. Das BVerfG geißelt die Entscheidung des Rechtspflegers deshalb auch völlig zu Recht als nicht nachvollziehbar und nicht mehr vertretbar.
Noch ein weiteres ist (wenn auch nicht für den regelmäßig Beratungshilfe leistenden Rechtsanwalt) verwunderlich: das völlige Versagen der richterlichen Kontrolle im Verfahren über die Erinnerung. Der richterliche Beschluss ist bestenfalls ein Beispiel für Weltferne, wenn gemeint wird, ein Rechtsuchender hätte sich in dieser Situation noch einmal mit Erfolg schriftlich an seine Bank wenden können. Schlechtestenfalls ist es ein Beispiel für die allzu häufig mangelnde Distanz des Richters zu den Entscheidungen der Rechtspfleger seines Gerichts, die Anlass geben könnte, über die instanzielle Zuständigkeit des Amtsrichters für Erinnerungen gegen Entscheidungen der Rechtspfleger desselben Gerichts nachzudenken.
Noch schlechter wäre es, wenn die Entscheidung als Ausdruck eines wieder vordringenden Dezisionismus in der Rspr. Gesehen werden könnte, mit dem der Inhalt des erst noch zu verabschiedenden Gesetzes zur Änderung des Beratungshilferechts auch über seinen Wortlaut hinaus vorweggenommen wird, indem Beratungshilfe mutwillig zurückgedrängt wird. Der vorliegende Fall gibt Anlass, darüber nachzudenken, ob die Einführung der Mutwillensprüfung (jetzt bezogen auf den Antragsteller) im Entwurf des Gesetzes wirklich Sinn macht.