ZPO § 91, 522 Abs. 2 RVG VV Nr. 3200, 3201
Leitsatz
- Der Rechtsmittelbeklagte kann auch dann Erstattung einer vollen 1,6-Verfahrensgebühr verlangen, wenn er den Antrag auf Zurückweisung der Berufung vor deren Begründung stellt, die Berufung später aber dann noch begründet wird.
- Dass anschließend noch eine Berufungserwiderung eingereicht wird, ist nicht erforderlich. Daher ist die volle 1,6-Verfahrensgebühr auch dann zu erstatten, wenn das Gericht nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne dass eine Berufungserwiderung eingereicht worden ist.
BGH, Beschl. v. 25.11.2010 – III ZB 83/09
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte am 10.3.2009 gegen das Endurteil des LG Berufung eingelegt mit dem Hinweis, dass Anträge und Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben sollten. Der Beklagte meldete sich im Berufungsverfahren mit Schriftsatz v. 18.3.2009 und kündigte den Antrag an, die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Berufung wurde am 8.4.2009 begründet. Das OLG wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Nach Stellungnahme des Klägers wurden die Berufung wie angekündigt durch Beschluss zurückgewiesen und dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Der Beklagte hat im Kostenfestsetzungsverfahren hinsichtlich der Kosten für die Berufung die Festsetzung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr für seine Prozessbevollmächtigten beantragt. Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss lediglich eine 1,1-fache Verfahrensgebühr berücksichtigt. Hiergegen hat sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde gewandt, die vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden ist. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die durch den gestellten Antrag auf Zurückweisung der Berufung angefallene 1,6fache-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV sei nur in Höhe einer 1,1fachen-Verfahrensgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV erstattungsfähig.
Nach der Rspr. des BGH, der sich der Senat anschließt, kommt es für die Erstattungsfähigkeit der 1,6fachen-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV nicht darauf an, ob der obsiegende Berufungsgegner noch eine Rechtsmittelerwiderung abgegeben hat, wenn – wie hier – nach Stellung des Zurückweisungsantrags das Rechtsmittel durch den Berufungsführer begründet wird und anschließend das Berufungsgericht nach § 522 ZPO die Berufung zurückweist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.2010 – VII ZB 6/09, NJW 2010, 3170 Rn 8 f. [= AGS 2010, 514]; vgl. auch Beschl. v. 13.7.2010 – VI ZB 61/09, VersR 2010, 1470 Rn 5 ff. [= AGS 2010, 513] und v. 1.4.2009 – XII ZB 12/07, NJW 2009, 2220 Rn 11 [= AGS 2009, 313]; siehe ferner BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – V ZB 54/09, NJW 2009, 3102 Rn 10 f. u. v. 2.10.2008 – I ZB 111/07, NJW-RR 2009, 859 Rn 8 ff. [= AGS 2009, 143]). Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der 1,6-fachen-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV ist nicht, dass sich der Prozessbevollmächtigte inhaltlich mit der Berufungsbegründung auseinandersetzt. Die Verfahrensbeendigung nach Stellung des Zurückweisungsantrags stellt auch keine vorzeitige Erledigung i.S.d. Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV dar. Die volle Gebühr wird vielmehr bereits durch die Stellung der Sachanträge ausgelöst. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Abweisungsantrags noch keine Rechtsmittelbegründung vorlag, ist jedenfalls unbeachtlich, wenn diese später eingereicht wird; denn für die Frage der Erstattungsfähigkeit ist die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge ohne Belang (vgl. Beschl. v. 13.7.2010 a.a.O. Rn 12 u. v. 1.4.2009 a.a.O. Rn 7). Nach Einreichung der Rechtsmittelbegründung kann dem Rechtsmittelgegner ein berechtigtes Interesse nicht abgesprochen werden, mit anwaltlicher Hilfe eine Zurückweisung des Rechtsmittels zu erreichen und einen entsprechenden Antrag anzukündigen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eine Vorgehensweise nach § 522 ZPO in Betracht kommt oder nicht (Beschl. v. 24.6.2010 a.a.O.).