RVG § 15 RVG VV Vorbem. 4 Abs. 1, Nrn. 4100 ff.
Leitsatz
- Tritt ein Anwalt zunächst als Verteidiger und später als Nebenklagevertreter bezüglich derselben Tat auf, liegt gebührenrechtlich jedenfalls dann dieselbe Angelegenheit vor, wenn Verteidigung und Nebenklage dieselbe prozessuale Tat betreffen.
- Eine Erhöhung der Verfahrensgebühren nach Nr. 1008 VV kommt ebenfalls nicht in Betracht.
OLG Celle, Beschl. v. 25.8.2010 – 2 Ws 303/10
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer vertrat den früheren Angeklagten und inzwischen rechtskräftig freigesprochenen M. G. in einem Strafverfahren vor der großen Jugendkammer des LG wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei als Verteidiger. In diesem Strafverfahren, welches wegen desselben Tatgeschehens gegen fünf Angeklagte geführt wurde, wurde M. G. durch Beschluss der großen Jugendkammer als Nebenkläger zugelassen und ihm der Beschwerdeführer als Beistand beigeordnet, welcher G. in der Hauptverhandlung zugleich als Nebenklagevertreter vertrat. M. G. wurde mit rechtskräftigem Urteil der großen Jugendkammer freigesprochen. Nach der Kostenentscheidung des Urteils, welche mit Beschluss der großen Jugendkammer ergänzt worden ist, hat die Landeskasse betreffend M. G. die Kosten des Verfahrens sowie die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen. Dem Verurteilten M. wurden die notwendigen Auslagen des Nebenklägers M. G. auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 8.7.2009, mit dem zugleich eine Abtretungserklärung des freigesprochenen M. G. gem. § 43 RVG vorgelegt wurde, beantragte der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Wahlverteidiger 12.596,03 EUR an Gebühren festzusetzen. Er beantragte ferner für seine Tätigkeit als Nebenklägervertreter weitere 7.170,94 EUR an Gebühren festzusetzen. Bei der Beantragung der Festsetzung der Wahlverteidigergebühren wurden für die Grundgebühr aus Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühren aus Nrn. 4104 und 4118 VV jeweils die Höchstgebühr sowie für sämtliche Hauptverhandlungstage mit Ausnahme von zwei Tagen die Höchstgebühr aus dem Gebührentatbestand Nrn. 4118, 4120 VV in Höhe von 780,00 EUR geltend gemacht, im Übrigen Gebühren von 445,00 EUR.
Die geltend gemachten Gebühren für die Nebenklagevertretung in Höhe von 7,170,94 EUR wurden dem Beschwerdeführer bereits ausgezahlt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin bei dem LG die von der Landeskasse an den Angeklagten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf (weitere) 5.425,09 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, bei der Vertretung einer Person zugleich als Angeklagten und als Nebenkläger handele es sich um eine Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Die im Wege der Beiordnung ausgezahlte Vergütung für die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Nebenklagevertreter in Höhe von 7.170,94 EUR sei auf die geltend gemachte Vergütung für die Tätigkeit als Verteidiger in Höhe von 12.596,03 EUR anzurechnen, sodass ein festzusetzender Rest in Höhe von 5.425,09 EUR verbleibe.
Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. a) Für die zu treffende Entscheidung ist grundsätzlich der Einzelrichter des Strafsenats zuständig. Nach § 464b S. 3 StPO gelten für das Kostenfestsetzungsverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Damit findet auch § 568 S. 1 ZPO für das Beschwerdeverfahren Anwendung, wonach über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn der Einzelrichter oder – wie hier – der Rechtspfleger die angefochtene Entscheidung getroffen hat (vgl. OLG Celle, 2. Strafsenat, Beschl. v. 21.7.2010 – 2 Ws 266/10; 1. Senat, Beschl. v. 6.10.2009 – 1 Ws 488/09).
b) Nach § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Spruchkörper zur Entscheidung in der vom GVG vorgeschriebenen Besetzung, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung aufweist. Dies ist hier der Fall, denn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob der Rechtsanwalt, welcher zugleich als Verteidiger und als Nebenklagevertreter dieselbe Person im Strafverfahren vertritt, in derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG tätig wird, ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht geklärt.
2. a) Die gem. § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere in der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt. Der Beschwerdeführer ist, nachdem ihm der Freigesprochene und Nebenkläger seinen Kostenerstattungsanspruch nach § 43 RVG wirksam abgetreten hat, auch beschwerdebefugt.
b) Das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg. Vertritt ein Rechtsanwalt in einem Strafverfahren den Angeklagten, welcher als Nebenkläger zugelassen ist, sowohl als Verteidiger als auch als Vertreter der Nebenklage, handelt es sich bei dieser Tätigkeit gebührenrechtlich jedenfalls dann um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG, wenn Verteidigung und Nebenklage – wie hier – dieselbe prozessua...