RVG § 3 RVG a.F. § 4
Leitsatz
Eine vereinbarte Vergütung ist unangemessen hoch, wenn sie das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühren überschreitet und der Anwalt keine ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegt, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Vergütung unter Berücksichtigung aller im Rahmen von § 4 Abs. 4 S. 1 RVG a.F. relevanten Faktoren nicht als unangemessen hoch anzusehen ist.
AG München, Urt. v. 10.12.2009 – 222 C 23309/08
1 Sachverhalt
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückzahlung bereits gezahlten Rechtsanwaltshonorars.
Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Der Kläger bat den Beklagten, eine Strafverteidigung für einen Dritten zu übernehmen. Dieser hatte den Kläger beauftragt, den Beklagten als Verteidiger zu gewinnen. Ein Pflichtverteidiger war bereits beigeordnet worden. Der Kläger, der nur unzureichend deutsch spricht, begab sich in dieser Angelegenheit am 8.1.2008 in die Kanzleiräume des Beklagten und zahlte dem Beklagten nach der Unterzeichnung einer mit dem Begriff "Honorarvereinbarung" überschriebenen Vereinbarung den bereits in einem vorherigen telefonischen Gespräch vereinbarten Betrag von 3.000,00 EUR.
Am 11.1.2008 bestellte sich der Beklagte im Verfahren bei der Staatsanwaltschaft. An diesem Tag fuhr der Beklagte in Begleitung eines Dolmetschers in die JVA um das Verfahren zu besprechen, wofür der Beklagte bei einfacher Strecke von 191 Kilometern insgesamt sechs Stunden unterwegs war. Mit Schreiben vom 7.1.2008 hatte der Beklagte nach einer telefonischen Vorbesprechung von 20 Minuten einen Besuchsschein für den Kläger beantragt. Am 11.1.2008 erhielt der Beklagte von der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht über 66 Seiten vorläufige Ermittlungsakte, die der Beklagte in zwei Stunden durcharbeitete. Mit Schreiben vom 30.1.2008 erstattete der Beklagte Bericht. Am 26.2.2008 beantragte der Beklagte einen Dauerbesuchsschein für den Kläger, was 15 Minuten in Anspruch nahm. Am 30.1.2008 beantwortete der Beklagte telefonisch Fragen der Kriminalpolizei zur Auswertung des Mobiltelefons. Der Beklagte beantwortete ferner die Schreiben des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft vom 6.2., 15.2. und 11.3.2008. Mit Schriftsatz vom 3.3.2008 beantragte der Beklagte nach einem Herzinfarkt des Beschuldigten die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise seine Außervollzugsetzung, wofür insgesamt vom Beklagten 1,5 Stunden aufgewendet wurden. Am 13.3.2008 wurde das Mandatsverhältnis mit dem Beklagten gekündigt.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe versprochen, den Beschuldigten binnen drei Monaten aus der JVA zu holen. Bedingung hierfür sei der Abschluss der Honorarvereinbarung sowie die Zahlung der 3.000,00 EUR in bar gewesen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Honorarvereinbarung aufgrund formaler Mängel, aufgrund einer Täuschung über die Höhe der Mehrwertsteuer sowie aufgrund eines Verstoßes der Höhe nach gem. § 138 BGB unwirksam, jedenfalls aber unangemessen hoch bemessen war. Er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.3.2008 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 316,18 EUR zu bezahlen.
2 Aus den Gründen
I. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
1. Die Honorarvereinbarung ist wirksam.
a) Die Honorarvereinbarung entspricht den Formerfordernissen des § 4 Abs. 1 RVG a.F.
aa) § 4 Abs. 1 RVG a.F. bestimmt, dass Vergütungsvereinbarungen eine schriftliche Erklärung des Auftraggebers erfordern, die Erklärung nicht in der Vollmacht enthalten sein darf, die Vereinbarung als Vergütungsvereinbarung bezeichnet werden und von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt sein muss. Die Vergütungsvereinbarung wurde am 8.1.2008 schriftlich abgeschlossen. Sie war weder in der Vollmacht enthalten noch mit anderen Vereinbarungen verbunden, sondern als eigenständige Vereinbarung deutlich gekennzeichnet. Die Vereinbarung wurde zwar als "Honorarvereinbarung" und nicht als Vergütungsvereinbarung bezeichnet. Nach Sinn und Zweck der Norm schadet dies jedoch nicht, da ein juristischer Laie auch bei einer Bezeichnung als Honorarvereinbarung auf den ersten Blick erkennen kann, dass es sich um eine Vergütungsvereinbarung handelt (Hartung/Römermann, RVG, 2004, § 4 Rn 95). Eine entsprechende Klarstellung erfolgte in § 3a Abs. 1 S. 2 RVG n. F.
bb) Die Vereinbarung ist trotz des fehlenden Hinweises darauf, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzliche Vergütung übersteigt, wirksam. Eine entsprechende Belehrungspflicht wird allenfalls dem anwaltlichen Standesrecht entnommen (Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Aufl. 2006, S. 1110; Hartung/Römermann, a.a.O., Rn 21). Eine gesetzliche Belehrungspflicht besteht nicht. Die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung wird von der fehlenden Belehrung daher nicht berührt.
b) Die in § 3a Abs. 1 RVG n.F. festgesetzten Formerfordernisse sind nicht anwendbar.
Die in § 3a RVG n.F. aufgestellten Anforderungen, insbesondere die Pflicht zur Einbeziehung eines Hinweises auf den Umfang der Kostenerstattung, im Fall ...