Die Entscheidung beinhaltet richtige Ansätze, im Ergebnis ist sie falsch:
Ein Versorgungsausgleichsverfahren wird verfahrensrechtlich eingeleitet, wenn der Scheidungsantrag bei Gericht anhängig gemacht worden ist. Auch in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG erfolgt eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen. Würde sich das FamG mit dem Versorgungsausgleich nach Einleitung des Scheidungsverfahrens nicht auch mit der Versorgungsausgleichssache befassen, könnte es die Ehezeit nach § 3 Abs. 1 VerAusglG gar nicht feststellen mit dem Ergebnis, dass es auch die Frage, ob materiell-rechtlich ein Versorgungsausgleich (§ 3 Abs. 3 VersAusglG) unterbleibt, nicht beantworten könnte. Soweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nach
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§ 3 Abs. 3 (kurze Ehezeit) oder auch nach |
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§§ 6 (Vereinbarung über den Versorgungsausgleich), |
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18 Abs. 1 oder Abs. 2 (Geringfügigkeit des Anrechts) oder |
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§ 27 (Unbilligkeit der Durchführung) des VersAusglG nicht stattfindet, |
stellt das Gericht dies darüber hinaus auch in der Beschlussformel fest.
Damit liegt dann letztendlich auch ohne Antrag i.S.v. § 3 Abs. 3 VersAusglG und ohne Versorgungsausgleich eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich vor, die in materielle Rechtskraft erwächst. Ein Versorgungsausgleich ist nach Eintritt der Rechtskraft dann nämlich insoweit ausgeschlossen. Die Entscheidung ist mit der Beschwerde anfechtbar (§ 58 FamFG). Folglich muss jede Anwartschaft, deren "Nichtausgleich" festgestellt wird, auch bewertet werden. Das Gericht muss sich mit diesen Anwartschaften – auch wenn es sie bei den Versorgungsträgern nicht konkret ermittelt – nämlich auch ohne Antrag nach § 3 Abs. 3 VerAusglG befassen und prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, wonach ein Ausgleich unterbleibt. Auch die beteiligten Anwälte müssen sich mit der Sache befassen. Sie müssen z.B. im Falle des § 3 Abs. 3 VersAusglG prüfen, ob ein Antrag zu stellen ist, damit es zur Durchführung des Ausgleichs kommt. Im Falle des § 6 VersAusglG wären die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen, insbesondere ob die Vereinbarung über den Ausschluss einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhält und wirksam ist, zu überprüfen. Im Falle des § 18 VersAusglG hat sich das FamG mit dem Vorliegen einer Geringfügigkeit und damit zu befassen, ob trotz Geringfügigkeit aufgrund von Billigkeit ein Ausgleich auszusprechen ist. Erst recht ist der Anwalt im Fall des § 27 VersAusglG gefordert, zur Unbilligkeit vorzutragen, einmal abgesehen davon, dass eine Entscheidung über § 27 VerAusglG regelmäßig erst dann ergehen kann, wenn die ermittelten Auskünfte konkret überprüft worden sind. Verfahrensrechtlich gibt es deshalb immer eine Versorgungsausgleichssache, mit der sich das FamG nach Einleitung der Scheidung auseinanderzusetzen hat.
Die überwiegende Rspr. geht deshalb auch zutreffend davon aus, dass in den Fällen der so genannten negativen Feststellungsentscheidung je Anrecht 10 % des dreifachen Nettoeinkommens beider Ehegatten festzusetzen sind. Das gilt auch dann, wenn Auskünfte bei den Versorgungsträgern nicht eingeholt worden sind. Es ist dennoch nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu bewerten und nicht unmittelbar nach § 50 Abs. 1 S. 2 FamFG mit 1.000,00 EUR zu bemessen. In Versorgungsausgleichssachen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 Prozent. Der sich aus § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG ergebende Mindestwert ist hingegen keine Vorschrift, wonach unmittelbar der Verfahrenswert bemessen werden darf. Der Mindestwert stellt nur eine untere Grenze für den rechnerisch nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG ermittelten Wert dar.
So wie die beteiligten Anwälte zur Verfahrenswertbemessung in der Scheidungssache das Nettoeinkommen der beteiligten Eheleute mitzuteilen wissen, das nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG nunmehr auch zur Bemessung des Verfahrenswertes in der Versorgungsausgleichssache erforderlich ist, sollten auch bestehende Anrechte der Beteiligen bei den Versorgungsträgern mitgeteilt werden. Soweit das OLG einen Wert in Höhe von "nur" 1.000,00 EUR als ausreichend und angemessen erachtet hat, so hätte es dieses Ergebnis über eine Abweichung von dem sich aus § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG ergebenden Regelwert auf der Grundlage der Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 FamGKG erzielen können. Dann hätte es "richtig" bewertet.
Rechtsanwältin FAFamR Lotte Thiel, Koblenz