BRAGO §§ 3, 18 RVG § 3a RVG a.F. § 4], 10) BGB § 138
Leitsatz
- Ein vereinbarter Stundensatz von 450,00 DM (230,08 EUR) ist nicht unangemessen hoch.
- Das Gericht ist nicht nach § 3 Abs. 3 BRAGO befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Daher ist nicht darauf abzustellen, welches Honorar im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist.
- Erforderlich für eine Herabsetzung ist ein krasses, evidentes Missverhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung.
- Eine ordnungsgemäße Berechnung i.S.d. § 18 BRAGO (§ 10 RVG) setzt im Falle einer vereinbarten Stundensatzvergütung voraus, dass die abgerechneten Stunden nach Tagen aufgelistet werden. Eine nähere Auflistung nach einzelnen Tätigkeitsfeldern ist der Kostennote dagegen nicht erforderlich.
BGH, Beschl. v. 21.10.2010 – IX ZR 37/10
1 Sachverhalt
Der Kläger verteidigte den Beklagten in einem Strafverfahren vor dem Schöffengericht. Der Beklagte wurde beschuldigt, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer GmbH in der Zeit von Februar 1991 bis November 1994 in 46 Fällen Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Höhe von mindestens 550.000,00 DM nicht abgeführt und tateinheitlich Betrug begangen sowie Gewerbe- und Körperschaftsteuer von etwa 400.000,00 DM verkürzt zu haben. Der Beklagte wurde mit Urteil des Schöffengerichts wegen Beitragsvorenthaltung in Tateinheit mit Betrug in 22 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt; das Verfahren wegen der Steuerhinterziehung wurde gem. § 154 StPO eingestellt. Hiergegen legten die Staatsanwaltschaft sowie der – zunächst wiederum durch den Kläger vertretene – Beklagte Berufung ein. Am 26.6.2007 legte der Kläger das Mandat nieder. Später wurde das Verfahren gegen den Beklagten, der nunmehr von seinen jetzigen Instanzanwälten verteidigt wurde, gegen Zahlung einer Geldbuße von 20.000,00 EUR gem. § 153a StPO eingestellt.
Diesem Strafverfahren war ein im Jahre 1994 eingeleitetes Ermittlungs- und Strafverfahren mit gleichem Tatvorwurf vorausgegangen, das nach durchgeführter Hauptverhandlung wegen eines Verfahrenshindernisses am 10.11.1999 eingestellt worden war. Auch in diesem Verfahren war der Beklagte durch den Kläger verteidigt worden. Das hierfür berechnete Honorar in Höhe von 11.554,07 EUR hat der Kläger erhalten.
Unmittelbar nach Zustellung der zweiten Anklage unterzeichnete der Beklagte am 7.12.1999 eine als Honorarvereinbarung bezeichnete, vom Kläger vorformulierte Erklärung, in der es u.a. heißt:
"1. Wegen des Umfangs und der besonderen Bedeutung der Sache wird vereinbart, dass ich statt der gesetzlichen Gebühren ein Honorar in Höhe von 450,– DM (in Worten vierhundertfünfzig Deutsche Mark) je Stunde zahle. Ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes wird für jede angefangene 15 Minuten berechnet. Bei Tätigkeiten außerhalb des Büros des Verteidigers beginnt die Zeit mit dem Verlassen des Büros und endet mit der Rückkehr im Büro. Es sind mindestens die gesetzlichen Gebühren vereinbart. Diese Vereinbarung gilt auch im Falle der Hauptverhandlung."
Auf der Grundlage der dem Beklagten unter dem 29.11.2004 erteilten Kostennote fordert der Kläger unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 2.000,00 EUR ein Zeithonorar von weiteren 23.094,79 EUR.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Honorarvereinbarung zunächst für unwirksam erachtet und die Klage abgewiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat (Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 174/06, NJW 2009, 3301 [= AGS 2009, 430]) hat das Berufungsgericht das geltend gemachte Strafverteidigerhonorar in Höhe von 9.170,94 EUR für begründet erachtet und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bislang nicht zuerkannten Honoraranspruch weiter. Der Beklagte wendet sich im Wege der Anschlussrevision gegen die vom Berufungsgericht zugesprochene Vergütung.
2 Aus den Gründen
Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. Die Anschlussrevision des Beklagten ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BRAK-Mitt. 2010, 90 [= AGS 2010, 109] Veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die nach Nr. 1 Abs. 1 S. 2 der Honorarvereinbarung vereinbarte Zeittaktklausel sei nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Der vereinbarte fünfzehnminütige Zeittakt führe zu einer evidenten Benachteiligung des Mandanten. Die Klausel entfalte strukturell zu Lasten des Mandanten in erheblicher Weise sich kumulierende Rundungseffekte. Infolge der Unwirksamkeit der Zeittaktklausel könnten die vom Kläger abgerechneten 23 Zeitintervalle, was einem Aufwand von 322 Minuten (5,37 Stunden) entspreche, keine Berücksichtigung finden. Der abzuziehende Honoraranteil betrage 1.235,53 EUR (5,37 Stunden x 230,08 EUR).
Ein weiterer Honorarabzug von insgesamt 9,58 Stunden ergebe sich daraus, dass der Kl...