BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 788; RVG VV Nr. 2300

Leitsatz

  1. Eine vorformulierte Vertragserklärung in einem "Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich" zwischen einem Zahlungsschuldner und einem Inkassounternehmen, dass der Schuldner den Forderungsstand zu einem bestimmten Zeitpunkt mit sämtlichen, auch möglicherweise überhöhten oder gar nicht geschuldeten Kostenpositionen nach Titulierung der Forderung anerkennt und zudem auf alle Einwendungen und Einreden gegen den Grund oder die Höhe der Forderung verzichtet, verstößt gegen den wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und ist damit gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sind nach Titulierung einer Forderung nur notwendige Vollstreckungskosten nach § 788 ZPO erstattungsfähig.
  2. Inkassounternehmen können bei der Einziehung einer mittels Vollstreckungsbescheid für einen "1. Brief titulierte Forderung" keine "1,3-Geschäftsgebühr analog Nummer 2300 VV" geltend machen, denn eine solche Gebühr fällt für eine Androhung einer Vollstreckung nach Titulierung der Forderung nicht an. ""
  3. Kontoführungskosten können ersetzt nicht verlangt werden, da eine gesonderte Kontoführungsgebühr auch bei Forderungsbeitreibung durch Rechtsanwälte im RVG nicht vorgesehen ist und daher auch von einem Inkassounternehmen nicht geltend gemacht werden kann.

AG Speyer, Urt. v. 11.9.2017 – 32 C 23/17

1 Sachverhalt

Der Geschäftszweck der Beklagten ist der Ankauf, Handel und das Verwerten von Forderungen aller Art, wobei mit der Einziehung der Forderungen regelmäßig das unter derselben Geschäftsadresse ansässige Inkassounternehmen GmbH beauftragt wird. Der Kläger ist der Schuldner der Beklagten.

Die Beklagte erwirkte gegen den Kläger beim AG M. vier Vollstreckungsbescheide: Az: …903 mit einer verzinslichen Hauptforderung i.H.v. 45,90 EUR; Az: …404 mit einer verzinslichen Hauptforderung i.H.v. 131,80 EUR; Az.: …007 mit einer verzinslichen Hauptforderung i.H.v. 185,10 EUR sowie Az: …103 mit einer verzinslichen Hauptforderung i.H.v. 238,40 EUR. Tituliert sind mit verzinslichen und unverzinslichen Kosten insgesamt 966,28 EUR; die Zinshöhe beträgt 13,25 %. Die GmbH war bereits vor Titulierung mit der Einziehung der Forderung beauftragt und entfaltete nach Titulierung weitere Beitreibungsmaßnahmen, insbesondere wurde der Kläger nach Titulierung angeschrieben, ab 2011 wurden vorläufige Zahlungsverbote nach § 845 ZPO zugestellt. Bis zum 24.10.2014 leistete der Kläger Zahlungen i.H.v. insgesamt 1.050,00 EUR.

Am 31.10.2014 unterzeichnete der Kläger eine mit Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich überschriebene Erklärung über eine Forderung i.H.v. insgesamt 1.554,02 EUR (Forderungsstand 24.10.2014) einschließlich der Kosten der Vereinbarung i.H.v. 192,50 EUR und zuzüglich gegebenenfalls weiter anfallenden laufenden Zinsen, Kontoführungskosten usw., wobei er nach dem vorgefertigten Text der Vereinbarung ausdrücklich auf alle Einwendungen und Einreden gegen den Grund oder die Höhe der Forderung verzichtete und sich verpflichtete, die Forderung in Raten i.H.v. 50,00 EUR auf das Konto der GmbH zu zahlen.

Aus einer Forderungsaufstellung vom 18.10.2016, die dem Beklagten mit einem Anwaltsschreiben vom 18.10.2016 übersandt worden ist, ergibt sich ein Forderungstand i.H.v. 1.686,81 EUR. In dieser Forderungsaufstellung sind die im Tenor genannten Kostenpositionen enthalten.

Der Kläger trägt vor, ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage sei gegeben, insbesondere stehe der Erhebung der Feststellungsklage nicht die Erhebung einer Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO als einfacherer Weg entgegen. Es gehe nicht um die Frage, ob die streitbefangenen Nebenforderungen zusammen mit der Hauptforderung beigetrieben werden dürften. Die Beklagte berühme sich außergerichtlich einer Forderung, die keine nach § 788 ZPO ersatzfähigen Kosten betreffe. Die Beklagte fertige zwei Arten von Forderungsaufstellungen:

Eine abgespeckte Version für die Zwecke der Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Dort seien weder Inkassokosten noch Kontoführungskosten aufgeführt. Die Forderungsaufstellung mit den Positionen Inkassokosten und Kontoführungskosten sei nur für den Schuldner bestimmt.

Die von ihm beanstandeten Positionen seien keine notwendigen Kosten i.S.d. § 788 ZPO. Inkassokosten seien dem Grunde nach nur erstattungsfähig, wenn der Gläubiger die Maßnahme aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Menschen für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dies sei hier nicht der Fall, da für den Gläubiger erkennbar gewesen sei, dass die Hauptforderung mangels Liquidität nicht erfüllbar sei. Inkassokosten seien zudem mit der bereits in den Vollstreckungsbescheiden titulierten 1,3-Gebühr vollständig abgegolten. Die … GmbH dürfe auch nicht außerhalb der Zwangsvollstreckung zusätzlich einen Rechtsanwalt zulasten des zahlungsunfähigen Schuldners mit der Führung von Verhandlungen beauftragen. Kontoführungskosten seien nicht ersatzfähig. Dem Anerkenntnis sei die Forderungsaufstellung mit Stand zum 24.1...

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