ZPO § 91 Abs. 2; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
Eine Partei, die einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, ohne dass die in § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO vorausgesetzte Notwendigkeit bestanden hat, kann vom unterlegenen Prozessgegner – bis zur Grenze der tatsächlich angefallenen Kosten – diejenigen fiktiven Reisekosten erstattet verlangen, die angefallen wären, wenn sie einen am entferntesten Ort des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17, NJW 2018, 2572 Rn 12 – Auswärtiger Rechtsanwalt IX [= AGS 2018, 319]).
BGH, Beschl. v. 4.12.2018 – VIII ZB 37/18
1 Sachverhalt
Die Beklagten sind im Bezirk des LG Stade wohnhaft. Sie beauftragten in einem gegen sie vor diesem LG geführten Verfahren einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt in Celle mit ihrer Vertretung. Die Klage wurde abgewiesen und dem Kläger wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag machten die Beklagten unter anderem Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten in Form von Fahrtkosten von Celle nach Stade (i.H.v. insgesamt 518,40 EUR) sowie Tage- und Abwesenheitsgelder (i.H.v. insgesamt 210,00 EUR) jeweils für sechs Gerichtstermine geltend.
Das LG Stade hat die vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 14.953,78 EUR festgesetzt. Dabei hat es an Stelle der geltend gemachten (tatsächlichen) Reisekosten lediglich die (fiktiven) Fahrtkosten vom Wohnort der Beklagten zu 1) zum LG Stade als erstattungsfähig angesehen, da die Beauftragung eines außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalts durch die innerhalb des Bezirks wohnhaften Beklagten nicht notwendig gewesen sei. Entsprechend wurden die Tage- und Abwesenheitsgelder gekürzt sowie die Reisekosten für einen kurzfristig abgesagten Termin gänzlich abgesetzt.
Die hiergegen von den Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde, mit welcher sie (fiktive) Reisekosten für sechs Termine unter Zugrundelegung der Entfernung zwischen dem Gerichtsort und dem hiervon am weitesten entfernten Ort innerhalb des Bezirks des LG Stade i.H.v. weiteren 324,10 EUR geltend machen, hat keinen Erfolg gehabt.
Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihr Kostenfestsetzungsbegehren – soweit es erfolglos geblieben ist – weiter.
2 Aus den Gründen
Die statthafte und auch i.Ü. zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Beauftrage eine innerhalb des Gerichtsbezirks wohnende Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt und sei dessen Hinzuziehung nicht i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO notwendig, seien lediglich fiktive Reisekosten vom Wohnort der Partei bis zum Prozessgericht erstattungsfähig. Die eindeutige Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO stehe der Erstattungsfähigkeit fiktiver Reisekosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze entgegen. Nach der Gesetzesbegründung trage die Regelung der Ortsbezogenheit Rechnung. Der Zweck der gesetzlichen Regelung, welcher auch dem Schutz der in einem Gerichtsbezirk tätigen Rechtsanwälte diene, würde somit unterlaufen und auswärtige Rechtsanwälte besser gestellt, wenn Reisekosten eines Rechtsanwalts am dritten Ort jedenfalls in Höhe der Kosten erstattungsfähig wären, die bei Beauftragung eines Rechtsanwalts am weitesten vom Prozessgericht entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks angefallen wären.
Ein Vergleich zu den im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälten gehe fehl. Es sei zwischen dem Anspruch gegen die Staatskasse und demjenigen gegen den unterlegenen Prozessgegner zu unterscheiden. Zwar erhielten auswärtige Rechtsanwälte, deren Beiordnung zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts erfolge, fiktive Reisekosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze erstattet. Dies beruhe jedoch auf dem aus § 121 Abs. 3 ZPO folgenden Mehrkostenverbot.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann eine Partei, die einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, ohne dass die in § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO vorausgesetzte Notwendigkeit bestanden hat, vom unterlegenen Prozessgegner – bis zur Grenze der tatsächlich angefallenen Kosten – diejenigen fiktiven Reisekosten erstattet verlangen, die angefallen wären, wenn sie einen am entferntesten Ort des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte.
a) Die unterlegene Partei hat die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Hierzu zählen stets die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts (§ 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO) und damit grds. auch Reisekosten in Form von Fahrtkosten (Nrn. 7003 f. VV) sowie Tage- und Abwesenheitsgelder (Nr. 7005 VV).
Beauftragt die Prozesspartei einen auße...