VwGO § 84 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 5; RVG VV Nr. 3104
Leitsatz
Wird nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden und kann eine mündliche Verhandlung beantragt werden, so entsteht eine Terminsgebühr.
VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 3.1.2018 – 5 O 9405/17.F.A
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin als frühere Beklagte wendet sich gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Abschluss des zugrundeliegenden Ausgangsverfahrens durch Gerichtsbescheid. Durch diesen Gerichtsbescheid ist der Antragstellerin aufgehoben und sind die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt worden. Mündliche Verhandlung hiergegen ist ebenso wenig beantragt wie ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt worden.
Der Antragsgegner hat daraufhin die Festsetzung seiner Kosten wie folgt beantragt:
Gegenstandswert: 5 000,00 EUR |
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Verfahrensgebühr (1,3) nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV |
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393,90 EUR |
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Terminsgebühr (1,2) nach § 13 RVG, Nr. 3104 VV |
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363,90 EUR |
Zwischensumme: |
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776,90 EUR |
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Umsatzsteuer auf die Vergütung, Nr. 7008 VV |
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147,61 EUR |
Gesamtbetrag: |
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924,51 EUR |
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 924,51 EUR festgesetzt.
Daraufhin hat die Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt. Zur Begründung trägt sie vor, warum aus ihrer Sicht keine "fiktive" Terminsgebühr entstanden sei und die Kostenfestsetzung deshalb korrigiert werden müsse. Der Antragsgegner tritt dem entgegen.
2 Aus den Gründen
Zur Entscheidung berufen ist der Spruchkörper in der Besetzung nach § 5 Abs. 3 S. 2 VwGO, da auch der Gerichtsbescheid durch den gesamten Spruchkörper ergangen ist (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Olbertz, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 165 Rn 9).
Die nach den §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch i.Ü. zulässige Erinnerung ist unbegründet.
Das Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 des RVG, ordnet zur Terminsgebühr bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid folgendes an:
Nr. |
Gebührentatbestand |
Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG |
3104 |
Terminsgebühr, soweit in Nummer 3106 [betrifft nur Sozialgerichtsbarkeit] nichts anderes bestimmt ist |
1,2 |
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(1) Die Gebühr entsteht auch, wenn |
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1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, |
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2. nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder |
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3. das Verfahren vor dem Sozialgericht, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. |
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(2) bis (3) … |
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Damit entsteht die Terminsgebühr, wenn "nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann". Nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO kann "das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist", wobei "die Beteiligten vorher zu hören" sind und "die Vorschriften über Urteile entsprechend" gelten. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben, denn die Frist zur Überstellung des Antragsgegners nach Italien war abgelaufen und die Antragstellerin hatte ihre Abschiebungsanordnung gleichwohl aufrechterhalten. Durch Allgemeine Prozesserklärung hat die Antragstellerin Verzicht erklärt auf ihre "Anhörung gem. § 84 Abs. 1 S. 2 VwGO vor Erlass eines Gerichtsbescheids". Soweit der Antragstellerin gleichwohl eine Gerichtsbescheidsanfrage mit zweiwöchiger Äußerungsfrist zugestellt worden ist, hat sie sich nicht gegen den Gerichtsbescheid mit der Begründung gewandt, mangels Fristablaufs sei ihr rechtliches Gehör versagt worden.
Soweit die Antragstellerin meint, Nr. 3104 VV erfasse nur Fälle von Gerichtsbescheiden i.S.v. § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO – also die Fälle, in denen kein Rechtsmittel gegeben ist, sondern allein der Rechtsbehelf des Antrags auf mündliche Verhandlung besteht – ist dem schon deshalb nicht zu folgen, als hierfür der Wortlaut der Vorschrift schlicht nichts enthält. Das Gericht folgt der Begründung im Beschl. d. VG Hamburg v. 9.11.2017 (1 KO 8346/17, juris Rn 22). Soweit der Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes das Ziel verfolgte, "die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr konsequent auf die Fälle [zu] beschränk[en], in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall eine Steuerungswirkung notwendig" sei, "im Fall des Gerichtsbescheids im Verfahren nach der VwGO [es] allein in der Entscheidungsbefugnis des Gerichts [liege], das Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Gericht...