Die Entscheidung des BGH wirft allerdings weitere Fragen auf, die nachfolgend erörtert werden:
1. Auskünfte bei verschiedenen Dritten
Gem. § 802l Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher
1. |
bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung die Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben; |
2. |
das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen (§ 93 Abs. 8 AO); |
3. |
beim Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeug- und Halterdaten nach § 33 Abs. 1 StVG zu einem Fahrzeug, als dessen Halter der Schuldner eingetragen ist, erheben. |
In dem verbindlichen Formular für den Vollstreckungsauftrag nach der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung (GVFV) vom 28.9.2015 kann vom Gläubiger deshalb die Einholung von Auskünften verschiedener Dritter beauftragt werden:
Macht der Gläubiger hiervon Gebrauch, stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit im Verfahren auf Einholung von Auskünften bei verschiedenen/allen Dritten (Träger gesetzliche Rentenversicherung, Bundeszentralamt für Steuern, Kraftfahrt- Bundesamt) dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten bilden.
Der Entscheidung des BGH ist zu entnehmen, dass es bei der Feststellung der gebührenrechtlichen Angelegenheit im Rahmen von § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG auf den konkreten Zweck der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme im Gesamtzusammenhang der Zwangsvollstreckung ankommt. Unter "Befriedigung" ist jede sonstige Beendigung der konkreten Vollstreckungsmaßnahme zu verstehen. Ob es vor diesem Hintergrund vertretbar ist, jedes einzelne Verfahren auf Auskunftseinholung bei den in § 802l ZPO genannten Dritten als besondere Angelegenheit anzusehen, erscheint fraglich. Die Beantwortung hängt insbesondere davon ab, ob der konkrete Zweck der Vollstreckungsmaßnahme die Einholung von Drittauskünften oder die Einholung von Drittauskünften bei bestimmten Dritten ist.
Zutreffend ist es, auf den konkreten Zweck "Einholung von Drittauskünften" bei den in § 802l ZPO genannten und nicht auf den konkreten Dritten abzustellen (Träger gesetzliche Rentenversicherung, Bundeszentralamt für Steuern, Kraftfahrt- Bundesamt). Deshalb ist es unerheblich, ob der Gläubiger im amtlichen Vollstreckungsauftragsformular ein oder mehrere Kästchen ankreuzt.
2. Nachfolgende Vollstreckungsmaßnahmen
a) Neue Angelegenheit
Ergeben die von den Dritten gem. § 802l ZPO erteilten Auskünfte weitere Vollstreckungsmöglichkeiten und wird deshalb vom Anwalt insoweit eine Vollstreckungsmaßnahme beantragt, entsteht gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit und eine neue Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV. Es handelt sich um eine neue Vollstreckungsmaßnahme mit einem anderen Befriedigungsziel. Die Drittauskunft dient der Auskunftseinholung bei einem Dritten, der aufgrund der Auskunft erteilte Vollstreckungsauftrag dient einem anderen Ziel.
Beispiel 1
Der Rechtsanwalt hat wegen einer Vollstreckungsforderung über 5.050 EUR die Vermögensauskunft des Schuldners und anschließend eine Drittauskunft bei dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung des Schuldners eingeholt, aus der sich der Arbeitgeber des Schuldners ergibt. Deshalb wird vom Anwalt hinsichtlich des Arbeitseinkommens des Schuldners ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt.
Die beiden Auskunftsverfahren einerseits und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss andererseits bilden gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG drei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten, sodass eine Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV nach einem Wert von 2.000,00 EUR und zwei Verfahrensgebühren nach Nr. 3309 VV nach einem Wert von 5.050,00 EUR anfallen.
Beispiel 2
Der Rechtsanwalt hat wegen einer Vollstreckungsforderung über 5.050 EUR die Vermögensauskunft des Schuldners und anschließend Drittauskünfte bei dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung des Schuldners sowie beim Kraftfahrtbundesamt eingeholt. Deshalb wird vom Anwalt hinsichtlich des Arbeitseinkommens des Schuldners ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt. Weil sich aus der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes ergibt, dass der Schuldner Eigentümer eines bislang nicht bekannten Pkw ist, beantragt der Rechtsanwalt beim Gerichtsvollzieher dessen Pfändung.
Die beiden Auskunftsverfahren gem. §§ 802c, 802l ZPO, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sowie der Mobiliarvollstreckungsauftrag bilden gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG vier verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten, sodass eine Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV nach einem Wert von 2.000,00 EUR für die Abnahme der Vermögensauskunft und drei Verfahrensgebühren nach Nr. 3309 VV nach einem Wert von 5.050,00 EUR anfallen.
b) Andere Auffassung – keine neue gebührenrechtliche Angelegenheit
Nach der Gegenauffassung bildet ein sich aus einer Drittauskunft gem. § 802l ZPO ergebender weiterer Vollstreckungsauftrag mit dem Auftrag auf Einholung der Drittauskünfte dieselbe Angelegenheit und löst keine neue Gebühr aus, weil die Drittauskunft die weitere Maßnahme vorbereitet hat.
Beispiel 3
Der Rechtsanwalt hat wegen ein...