3.1 Mandatierung des Anwalts nach Klagerücknahme
Anwaltskosten sind nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO in sämtlichen Verfahren vom unterlegenen Gegner zu erstatten, jedoch müssen sie für die Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung notwendig gewesen sein (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Kosten, die für eine unnötige Anwaltsbeauftragung entstanden sind, brauchen folglich nicht erstattet zu werden, was im Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) zu prüfen ist.
Der BGH hat hierzu entschieden, dass die Anwaltskosten zu erstatten sind, wenn die Klage zwar zurückgenommen wird, die beklagte Partei jedoch in Unkenntnis von dieser Klagerücknahme einen Anwalt beauftragt. In der Begründung hat der BGH darauf hingewiesen, dass entscheidend sei, ob die konkrete Maßnahme aus der Perspektive einer vernünftigen und sparsamen Partei als objektiv geeignet erscheine. Zugleich hat der BGH seine Ansicht aufgeben, dass die Notwendigkeit von Kosten der Rechtsverteidigung i.S.d. § 91 ZPO nach einem rein objektiven Maßstab zu beurteilen sei. Insbesondere dann, wenn die Zustellung der Klagerücknahme erst nach der Mandatierung durch den Beklagten an diesen zugestellt wird, scheidet der Vorwurf, Kenntnis von der Klagerücknahme gehabt zu haben aus und die Beauftragung des Anwalts muss als notwendig anerkannt werden.
Daraus folgt selbstverständlich, dass eine Notwendigkeit i.S.d. § 91 ZPO zu verneinen ist, wenn die Partei bereits einen Tag vor Auftragserteilung an den Anwalt, auch durch seine Versicherung, Kenntnis von der Klagerücknahme besaß. In diesen Fällen wäre die Auftragserteilung unverzüglich zu stoppen gewesen. Ebenso dürfte eine Kostenerstattung ausscheiden, wenn die Partei in schuldhafter Weise keine Kenntnis von der Klagerücknahme besaß.
Auch bei einem Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind die angefallenen Anwaltskosten dann erstattungsfähig, wenn der Antragsgegner oder sein Vertreter von der zwischenzeitlichen erfolgten Antragsrücknahme hiervon unverschuldet keine Kenntnis besaß.
3.2 Keine Erstattung der Anwaltskosten für ein freiwilliges Güteverfahren
Der unterlegene Gegner hat der obsiegenden Partei die notwendigen Kosten zu erstatten (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Hierzu bestimmt § 91 Abs. 3 ZPO, dass zu den Kosten des Rechtsstreits auch die Gebühren zählen, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Zu dieser Regelung ist bestritten, ob sie lediglich die Gebühren der Gütestelle oder auch die Anwaltsgebühren umfasst, wenn bereits für die außergerichtliche Tätigkeit vor dieser Gütestelle ein Anwalt beauftragt wird.
Der BGH hat hierzu nunmehr entschieden, dass die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem freiwilligen Güteverfahren im nachfolgenden Rechtsstreit nicht gem. § 91 Abs. 3 ZPO erstattungsfähig sind. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass in der Vorschrift auf § 91 Abs. 2 ZPO verwiesen werde, der die Erstattung einer anwaltlichen Vergütung regelt. Zudem handelt es sich bei diesen Kosten nach Auffassung des BGH auch nicht um Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Zu beachten ist, dass die Entscheidung des BGH nur die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem freiwilligen Güteverfahren betraf, nicht aber die Kosten bei anwaltlicher Vertretung in einem obligatorischen Güteverfahren. Hierfür regelt § 15a Abs. 4 EGZPO gleichfalls, dass nur die Gebühren der Gütestelle vom unterlegenen Gegner zu erstatten sind. Es ist aber hierzu anerkannt, dass die Anwaltskosten als Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu erstatten sind. Insoweit liegt ein wesentlicher Unterschied zu einem freiwilligen Güteverfahren vor.
Beispiel 1
Wegen einer Nachbarschaftsstreitigkeit wird zunächst ein obligatorischer Einigungsversuch vor einer Gütestelle unternommen. Hierfür wird von der Gütestelle eine Gebühr von 50,00 EUR erhoben. Da der Einigungsversuch scheitert, wird Klage vor dem AG erhoben. Das Gericht gibt der Klage nach mündlicher Verhandlung statt. Die Kosten werden dem Beklagten auferlegt. Der Wert beträgt 3.500,00 EUR.
Der obsiegende Kläger kann vom unterlegenen Gegner erstattet verlangen:
I. Verfahren vor der Gütestelle |
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1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2303 VV |
378,00 EUR |
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(Wert: 3.500,00 EUR) |
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2. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
75,62 EUR |
4. |
Gebühr der Einigungsstelle |
50,00 EUR |
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Gesamt |
523,62 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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327,60 EUR |
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(Wert: 3.500,00 EUR) |
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2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
– 189,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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302,40 EUR |
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(Wert: 3.500,00 EUR) |
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4. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
5. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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87,59 EUR |
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Gesamt |
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548,59 EUR |
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Gesamt I. + II. |
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1.072,21 EUR |
Da es sich um einen obligatorischen Ein...