Einführung
Zum anwaltlichen Kostenrecht ist in jüngerer Zeit erneut zahlreiche Rspr. ergangen, mit der teilweise bestehende Rechtsauffassungen aufgegeben oder auch Streitfragen beigelegt werden. Auf die wichtigste aktuelle Rspr. zum Kostenrecht – die sich aber wegen Ihrer Vielfalt nur auf ausgewählte Themen beschränken kann – soll nachfolgende hingewiesen werden.
1. PKH nur für einen Streitgenossen: Beschränkung der PKH-Bewilligung auf Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV
Werden mehrere Streitgenossen durch einen Anwalt vertreten und beantragt einer dieser Streitgenossen PKH, kann die PKH-Bewilligung auf die bloße Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV beschränkt werden. Diese Rechtsauffassung, die der BGH bereits 1993 vertreten hat, wurde durch den BGH nunmehr in zwei Entscheidungen erneut bestätigt. Die Entscheidungen gründen sich auf der Erwägung, dass dem Sinn der §§ 114 ff. ZPO nach die mittellose Partei für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung staatliche Hilfe nur in Anspruch nehmen könne, soweit sie aus finanziellen Gründen zur Prozessführung außerstande sei. Der finanziell leistungsfähige Streitgenosse werde hierdurch nicht benachteiligt, weil er nicht mit höheren Kosten belastet werde, als er zu tragen hätte, wenn er den Prozessbevollmächtigten allein beauftragt hätte.
Der BGH hat in seinen jüngeren Entscheidungen zudem darauf hingewiesen, dass es unerheblich sei, ob der PKH-Streitgenosse den Gebührenbetrag der Nr. 1008 VV auch tatsächlich schulde. Eines Gleichlaufs von PKH-Bewilligung und Vergütungsanspruch bedürfe es nicht. Der Schutz des bedürftigen Streitgenossen werde nämlich schon dadurch bewirkt, dass der Prozessbevollmächtigte – wie generell hinsichtlich seines Anspruchs auf Zahlung der Wahlanwaltsgebühren – gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an der Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG gehindert ist, solange die PKH-Bewilligung fortbesteht.
Der BGH hat ferner darauf hingewiesen, dass zudem auch die Regelung des § 7 RVG nicht zu einem anderen Ergebnis führen könne. Das gelte auch dann, wenn zwischen den Streitgenossen ein nachträglicher Gesamtschuldnerausgleich zugunsten des finanziell leistungsfähigen Streitgenossen stattfinde. Zum einen werde die notwendige anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen und damit die Prozessführung bereits durch Zubilligung der Erhöhungsbeträge gewährleistet, zum anderen könne der bedürftigen Streitgenosse – verfassungsrechtlich unbedenklich – mit dem allgemeinen Risiko, nachträglich die Kosten einer erfolglosen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tragen zu müssen, belastet werden.
2. Abgrenzung verschiedener Angelegenheiten
Da der Anwalt die Vergütung in jeder Angelegenheit nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 RVG), kommt der Abgrenzung der einzelnen Angelegenheiten für die anwaltliche Vergütung eine große Bedeutung zu. Gesetzliche Regelungen finden sich hierzu in §§ 15 ff. RVG, die aber selbstverständlich nicht jeden Einzelfall erfassen können. Liegen verschiedene Angelegenheiten vor, entstehen die Gebühren gesondert – eventuelle Anrechnungsvorschriften sind zu beachten – und auch die Postpauschale fällt separat an. Handelt es sich hingegen tatsächlich nur um dieselbe Angelegenheit, können gesonderte Gebühren und Auslagen nicht verlangt werden.
Der BGH hat zur Frage der Abgrenzung der Angelegenheiten in jüngerer Zeit zwei wichtige Entscheidungen getroffen, welche die Einlegung von wechselseitigen Nichtzulassungsbeschwerden und die Fertigung mehrerer Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen betreffen.
2.1 Wechselseitige Nichtzulassungsbeschwerden
Für die nach § 544 ZPO einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH entschieden, dass es sich um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG handelt, wenn das Verfahren wechselseitige Nichtzulassungsbeschwerden zum Gegenstand hat.
Regelmäßig sei das gerichtliche Verfahren in einem Rechtszug eine Angelegenheit. Auch aus § 17 Nr. 9 RVG folge nichts anderes, da dieser nur das Verhältnis der Nichtzulassungsbeschwerde zum nachfolgenden Revisionsverfahren betreffe. Unerheblich sei auch, dass mit den Nichtzulassungsbeschwerden unterschiedliche Sachgegenstände und Zulassungsgründe geltend gemacht werden. Ebenso hat der BGH zu Recht darauf verwiesen, dass auch die Anrechnungsregelung der Anm. zu Nr. 3506 VV zu keinem anderen Ergebnis führt. Denn das Ziel der Anrechnung erfordere es nicht, die dem Revisionsverfahren vorausgehende Nichtzulassungsbeschwerde im Verhältnis zu anderen in dem gleichen Verfahren Nichtzulassungsbeschwerden als selbstständige Angelegenheit zu behandeln.
Beispiel
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts legen beide Parteien Beschwerde ein. Beide Beschwerden werden bei dem BGH unter einem gemeinsamen Aktenzeichen geführt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen, jedoch auf die Beschwerde der Klägerin hin die Revision zugelassen. Der Gegenstandswert wird für die Nichtzulassungsbeschwerde auf insgesamt 85.000,00 EUR (Beschwerde der Klägerin: 50.000,00 EUR; Beschwerde der Beklagten: 35.000,00 EUR) und für das Revisionsverfahren auf 50.000...