Die Erinnerung ist begründet, denn § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist weder direkt noch analog anwendbar, sodass eine Anrechnung nicht stattfindet.
a) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nach § 15 Abs. 5 S. 1 RVG nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist.
Nach § 15 Abs. 2 RVG, der dem § 35 GKG entspricht, kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern, wobei jedoch das Mahn- und das Streitverfahren gem. § 17 Nr. 2 RVG verschiedene gebührenrechtliche und damit jeweils vergütungsfähige Angelegenheiten darstellen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.7.2019 – 18 W 107/19 unter Hinweis auf Volpert/Fölsch/Köpf, in: Schneider/Volpert/Fölsch, § 22 GKG Rn 53). Der Beklagte hat hierauf zutreffend hingewiesen.
Eine direkte Anwendung des § 15 Abs. 5 RVG scheidet damit aus.
b) Aber auch eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 5 RVG kommt nicht in Betracht, denn Voraussetzung einer analogen Anwendung ist eine planwidrige Regelungslücke.
aa) Das Gericht hält nach wie vor die Entscheidung des OLG München (MDR 1991, 359, Aufgabe durch OLG München NJW-RR 2000, 1727 [= AGS 2001, 151]) für richtig. Das OLG München (MDR 1991, 359) hat ausgeführt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des damals gültigen § 43 Abs. 2 BRAGO für die Anrechnung lediglich erforderlich ist, dass der Rechtsanwalt in dem (dem Widerspruch) nachfolgenden Rechtsstreit eine Prozessgebühr erhält. Derselbe prozessuale Anspruch des Klägers, der das Mahnverfahren in Gang brachte, wurde später folglich im streitigen Verfahren weiterverfolgt, was bedeutet, dass der Rechtsstreit dem Mahnverfahren nachfolgte. Das OLG München hat den Wortlaut der vorgenannten Bestimmung nicht dahin interpretieren können, dass noch "ein gewisser zeitlicher Zusammenhang" zwischen Mahnverfahren und zugehörigem streitigen Verfahren besteht. Schließlich findet jede etwaige Auslegungsmöglichkeit am klaren Wortlaut des Gesetzes ihre Grenze. Denn hätte der Gesetzgeber bei der vorliegend aufgeworfenen Frage etwas anderes gewollt, als dem klaren Wortlaut zu entnehmen ist, hätte er leicht vor dem Begriff "nachfolgend" einfügen können z.B. "alsbald" "in gewisser zeitlicher Nähe" oder nachfolgend bedeutet. Dies ist aber nicht geschehen.
bb) Mayer (in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl., § 15 Rn 135; OLG München NJW-RR 2000, 1727) vertritt die Meinung, § 15 Abs. 2 S. 2 RVG gelte auch in Fällen, in denen die Gebühren teilweise anzurechnen sind; ende z.B. das gerichtliche Mahnverfahren aufgrund des Widerspruchs des Schuldners vor dem 1.1.2005 und wird der Auftrag zur Fortsetzung des Verfahrens im Erkenntnisverfahren erst im Jahre 2007 erteilt, so sei die Anrechnungsvorschrift Nr. 3305 VV nicht zu beachten. Nach Ahlmann (in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., § 15 Rn 68) schließt § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eine Anrechnung nach Ablauf von zwei Kalenderjahren aus. Zu denken sei hier insbesondere an die Fälle der Zurückverweisung des Verfahrens nach § 21 RVG, der Einleitung des Hauptverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens und den Übergang vom Mahnverfahren ins streitige Verfahren mehr als zwei Kalenderjahre nach Einlegung des Widerspruchs. Die Entscheidung des AG Siegburg (AGS 2016, 268) enthält keine tragfähige Begründung.
cc) Die Argumentation der Vertreter dieser Meinungen bezieht sich weitgehend auf die Entscheidung des OLG München (NJW-RR 2000, 1727). Eine Begründung fehlt aber, ob angesichts der gesetzlichen Änderungen die Entscheidung noch einschlägig ist. § 43 Abs. 2 BRAGO bestimmte, dass die in Abs. 1 Nr. 2 (drei Zehntel der vollen Gebühr für die Erhebung des Widerspruchs) bestimmte Gebühren auf die Prozessgebühr angerechnet werden, die der Rechtsanwalt in dem nachfolgenden Rechtsstreit erhält.
Das OLG München (NJW-RR 2000, 1727) hat unter Aufgabe der im Beschl. v. 18.12.1990 (MDR 1991, 359) vertretenen Meinung ausgeführt, es erscheine nicht fernliegend, in dem Wort "nachfolgenden" auch ein zeitliches Element zu sehen und wie folgt ausgeführt:
"Entscheidend ist aber nach Auffassung des Senats die mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 eingeführte Vorschrift des § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO, nach der die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts (in derselben Angelegenheit) als neue Angelegenheit gilt, wenn der frühere Auftrag seit mehr als 2 Kalenderjahren erledigt ist. Mit dieser Vorschrift wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der Rechtsanwalt wegen des Zeitablaufs oft völlig neu in die Sache einarbeiten muss. Bei Vorliegen derselben Angelegenheit (wie dies in § 13 BRAGO vorausgesetzt wird) könnte der Rechtsanwalt ohne die Vorschritt des § 13 Abs. 5 S. ...