RVG VV Nr. 7000; RVG § 46
Leitsatz
Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Kostenfestsetzungsverfahren selbst zu prüfen, welche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht.
LG Braunschweig, Beschl. v. 5.8.2019 – 9 Qs 158/19
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des AG in dem vorliegenden Strafverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte er die Festsetzung einer Pflichtverteidigervergütung i.H.v. 863,70 EUR zzgl. Umsatzsteuer, von denen 205,90 EUR auf eine Dokumentenpauschale für insgesamt 1256 Kopien entfielen.
Auf Aufforderung des AG reichte der Beschwerdeführer zwei Aktenordner mit den gefertigten Kopien ein.
Ferner teilte der Beschwerdeführer mit, dass es bei der betreffenden Akte keine unwesentlichen Bestandteile gegeben habe, sodass es angemessen sei, die gesamte Akte zu kopieren und die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen.
Die Kostenbeamtin des AG hat die aus der Landeskasse zu zahlende Pflichtverteidigervergütung auf 482,78 EUR festgesetzt und ist damit dem Antrag des Beschwerdeführers bis auf die Dokumentenpauschale von 205,90 EUR gefolgt.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers, die keinen Erfolg hatte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der erneut geltend gemacht wird, dass es in dieser Akte keine unwesentlichen Bestandteile gegeben habe.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese zuständigkeitshalber dem LG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig. Der notwendige Beschwerdewert gem. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG wird erreicht. Die Beschwerde ist rechtzeitig eingegangen.
Über die Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 8 RVG durch den Einzelrichter zu entscheiden.
Die Beschwerde ist indes unbegründet.
Gem. § 46 RVG, Nr. 7000 Nr. 1a VV sind Ablichtungen aus Behörden- oder Gerichtsakten nur dann erstattungsfähig, wenn ihre Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung des Sachverhaltes und der Rechtssache geboten ist. Bei dieser Prüfung besteht ein objektiver Maßstab. Zu berücksichtigen ist ferner, dass ein Ermessensspielraum des Verteidigers besteht. Eine ordnungsgemäße Ausübung dieses Ermessens ist indes vorliegend nicht erkennbar.
Die ungeprüfte Ablichtung einer gesamten Akte genügend den gesetzlichen Anforderungen grds. nicht (vgl. Mayer/Kroiß, 4. Aufl., 2009, RVG Nr. 7000–7002 VV Rn 5). Nach std. Rspr. des hiesigen OLG sind z.B. eigene Schriftsätze des Verteidigers in der Akte nicht zu kopieren. Enthalten sind weiterhin z.B. ein Empfangsbekenntnis oder bloße Anfragen zum Bundesamt für Justiz. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass eine ordnungsgemäße Ausübung des anwaltlichen Ermessens bei der Auswahl der kopierenden Aktenbestandteile erfolgt ist.
Unter diesen Umständen ist es auch nicht die Aufgabe des Gerichtes im Kostenfestsetzungsverfahren, nunmehr selbst zu prüfen, weiche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass das AG in der angefochtenen Entscheidung die Dokumentenpauschale insgesamt in Abzug gebracht hat.
AGS 1/2020, S. 16