ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
Reisekosten eines Verfahrensbeteiligten in Gestalt von Fahrkarten der Deutschen Bahn im sog. "Flex-Tarif" sind stets erstattungsfähig i.S.v. § 162 Abs. 1 VwGO. Die Pflicht, die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung so niedrig wie möglich zu halten, führt nicht dazu, dass der Erstattungsanspruch auf den Betrag eines eventuellen Sparangebots ("Super-Sparpreis") reduziert wäre.
BVerwG, Beschl. v. 27.6.2019 – 2 KSt 1/19
1 Sachverhalt
Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des BVerwG ist gem. § 151 i.V.m. § 165 VwGO zulässig und begründet.
1. Die Beklagte hat die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten auf 429,80 EUR nebst Zinsen beantragt. Durch Beschluss des Urkundsbeamten sind die Kosten mit nur 312,90 EUR nebst Zinsen festgesetzt worden. Zur Begründung hat der Urkundsbeamte ausgeführt, die über die Festsetzung hinaus geltend gemachten und durch die Vorlage einer Bahnfahrkarte nachgewiesenen Reisekosten für die Hinfahrt des Behördenvertreters zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat seien nicht notwendig gewesen, weil vorhandene Sparangebote der Deutschen Bahn weder geprüft noch genutzt worden seien.
Die Beklagte hat gegen den Beschluss Erinnerung eingelegt und die Festsetzung der mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss abgelehnten Prozesskosten beantragt. Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
2. Die Beklagte kann Reisekosten für einen Behördenvertreter geltend machen (a). Die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen bemisst sich nach den einschlägigen Vorschriften (b).
a) Der Kostenbeamte ist im angefochtenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den von der Beklagten erstatteten Reisekosten ihrer Bediensteten dem Grunde nach um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen eines Beteiligten handelt, die gem. § 162 Abs. 1 VwGO zu den Kosten des Verfahrens zählen, die der Kläger auf der Grundlage des Kostenausspruchs in dem Urteil des BVerwG zu tragen hat. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, Beschl. v. 20.8.2014 – 9 KSt 3.14 <9 A 7.13>, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 52 Rn 2), soweit sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2012 – VI ZB 59/11, NJW 2013, 66 Rn 9 [= AGS 2012, 511]; Schulz, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., 2016, § 91 Rn 49 m.w.N. der Rspr).
Reisekosten der Beteiligten, auch des Behördenvertreters, für die Teilnahme am Termin der mündlichen Verhandlung sind regelmäßig erstattungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn das persönliche Erscheinen des Beteiligten nicht vom Gericht angeordnet worden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.10.2017 – OVG 3 K 6.17, juris Rn 3; VGH Mannheim, Beschl. v. 3.7.1990 – 8 S 2212/87, juris Rn 2; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, § 162 Rn 11 – 12 m.w.N.).
b) Die Höhe der zu erstattenden Auslagen der Beteiligten, insbesondere welches Beförderungsmittel und in welcher Höhe dessen Kosten als notwendig anzuerkennen sind, ist in der VwGO nicht geregelt. Unabhängig davon, ob sich die Reisekostenerstattung nach § 173 VwGO, § 91 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ZPO i.V.m. § 9 Abs. 3 S. 1 des früheren ZSEG (vgl. dafür BVerwG, Beschl. v. 6.12.1983 – 4 A 1.78, Rpfleger 1984, 158) bzw. nunmehr i.V.m. § 5 JVEG – (vgl. dafür VG Gießen, Beschl. v. 16.3.2009 – 10 O 188/09.GI, juris Rn 13 f. m.w.N.) oder nach den §§ 3 und 4 BRKG – bzw. nach dem jeweiligen Landesreisekostengesetz richtet (vgl. dafür OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.10.2017 – OVG 3 K 6.17, juris Rn 6; VGH Kassel, Beschl. v. 25.1.1989 – F 4471/88, AgrarR 1989, 256; Neumann, Reisekosten von Behördenvertretern im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren, DÖV 2012, 510, 517), hat die Beklagte im vorliegenden Fall Anspruch auf volle Erstattung der beantragten Reisekosten für die Fahrkarten der Deutschen Bahn (§ 4 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 1 BRKG bzw. § 5 Abs. 1 JVEG). Nach allen Rechtsgrundlagen werden notwendige Kosten, die für Fahrten auf dem Land- oder Wasserweg mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln entstanden sind, erstattet. Während für Bahnfahrten – wie hier – von einer Dauer von mindestens zwei Stunden nach dem Bundesreisekostengesetz die entstandenen Fahrtkosten der nächsthöheren Klasse erstattet werden können (§ 4 Abs. 1 BRKG), sieht § 5 Abs. 1 JVEG die Erstattung der tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks vor. Mögliche Fahrpreisermäßigungen sind nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich nur nach dem Bundesreisekostenrecht zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 2 S. 1 BRKG).
Daraus folgt u.a., dass die Beteiligten gehalten sind, die W...