RVG § 14; Nrn. 2302, 6402 VV

Leitsatz

  1. Das Gericht ist nicht befugt, durch eine eigene positive Bestimmung der "billigen Gebühr" das dem Rechtsanwalt zustehende Ermessen an sich zu ziehen. Diese Gefahr besteht bei allzu detaillierten Methoden zur Beurteilung der Billigkeit wie dem "Kieler Kostenkästchen" (BVerwG, Beschl. v. 12. 9. 2018 – 1 WDS-KSt 1.18).
  2. In Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung fällt keine Erledigungsgebühr an. Die Nrn. 1005, 1006 VV sind nicht entsprechend anzuwenden.

BVerwG, Beschl. v. 6.11.2019 – BVerwG 1 WDS-KSt 2.19

1 Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Verfahren hat der Senat die dem Antragsteller im Verfahren vor dem BVerwG einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund auferlegt.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers beantragte sodann die Festsetzung der Kosten i.H.v 2.338,35 EUR zzgl. von Zinsen. In der Gesamtforderung waren eine Geschäftsgebühr i.H.v. 600,00 EUR, eine Verfahrensgebühr i.H.v. 750,00 EUR (unter Anrechnung von 175,00 EUR für die Geschäftsgebühr) und eine Erledigungsgebühr i.H.v. 750,00 EUR enthalten.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die vom Bund zu erstattenden notwendigen Aufwendungen auf 1.032, 92 EUR zzgl. der beantragten Zinsen fest. Für die Geschäftsgebühr wurden hierbei 443,00 EUR und für die Verfahrensgebühr 560,00 EUR (unter Anrechnung von 175,00 EUR für die Geschäftsgebühr) in Ansatz gebracht. Eine Erledigungsgebühr könne nicht gewährt werden. Die WBO sehe diesen Gebührentatbestand nicht vor. Ob es sich um eine unbeabsichtigte Regelungslücke handele, sei unerheblich.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Antragstellers, der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat.

2 Aus den Gründen

Die zulässige Erinnerung (§ 21 Abs. 2 S. 1, § 20 Abs. 4 WBO i.V.m. § 142 S. 2 WDO), über die der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern entscheidet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.5.2019 – 1 WDS-KSt 1.19, Rn 7 m.w.N.), ist unbegründet.

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss geht – allerdings nur im Ergebnis – zutreffend davon aus, dass die Festsetzung der Höhe der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2302 VV und der Verfahrensgebühr gem. Nr. 6402 VV durch die Bevollmächtigte des Antragstellers unbillig hoch und daher nicht verbindlich war.

a) Die Höhe der genannten Gebühren ist – entgegen Rn 12 des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses – nicht durch den Kostenbeamten der Geschäftsstelle in Anlehnung an das sog. "Kieler Kostenkästchen" festzusetzen. Vielmehr obliegt die Festsetzung dem Rechtsanwalt nach billigem Ermessen (so bereits BVerwG, Beschl. v. 12.9.2018 – 1 WDS-KSt 1.18, Rn 10).

Die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2302 VV für das vorgerichtliche und die Verfahrensgebühr gem. Nr. 6402 VV für das gerichtliche Verfahren sind Rahmengebühren (50,00 bis 640,00 EUR bzw. 100,00 bis 790,00 EUR), bei denen der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt; bei Rahmengebühren, die sich – wie hier – nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist auch das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 S. 1 u. 3 RVG). In Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung sind vor allem die beiden erstgenannten Kriterien (Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit) maßgeblich. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten (und zumeist über die Mitgliedschaft im Bundeswehrverband rechtsschutzversicherten) Auftraggeber spielen angesichts der überschaubaren absoluten Höhe der Vergütung in der Regel keine wesentliche Rolle. Besondere Haftungsrisiken aus Wehrbeschwerdeverfahren sind nicht bekannt.

Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Die hierdurch eröffnete gerichtliche Kontrolle erstreckt sich – in einem negativen Sinne – nur darauf, ob der Rechtsanwalt die Grenzen des billigen Ermessens bei der Bestimmung der Gebühr überschritten hat (zu den verschiedenen Formeln der Rspr. – "Ermessensmissbrauch", "völlig abwegige Überlegungen", "grobe Abweichung vom Üblichen" u.Ä. – vgl. Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, § 14 Rn 5). Das Gericht ist nicht befugt, durch eine eigene positive Bestimmung der "billigen Gebühr" das dem Rechtsanwalt zustehende Ermessen an sich zu ziehen.

b) Hier war die Festsetzung der konkreten Gebührenhöhe durch die Bevollmächtigte des Antragstellers unbillig, weil sie für beide Gebühren nahe an der gesetzlichen Obergrenze des Gebührenrahmens lag, ohne dem Umstand Rechnung zu tragen, dass neben dem Hauptsacheverfahren, dessen Gebühren vorliegend in Rede stehen, ein gesondert vergütetes Eilverfahren anhängig gewesen war.

Zwar zählt ein Konkurrentenstreit um die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens – wie hier – inn...

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