FamFG §§ 80, 85; ZPO §§ 91 Abs. 1, 2 S. 1, 104
Leitsatz
- Mangels Verweises auf § 91 Abs. 2 ZPO in § 80 FamFG sind in FG-Familiensachen Rechtsanwaltskosten der Gegenseite nicht zwangsläufig erstattungsfähig. Vielmehr muss eine Notwendigkeit für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe gegeben sein, was in jedem einzelnen Fall vom Rechtspfleger bei der Kostenfestsetzung zu prüfen und folglich vom Kostengläubiger darzulegen ist.
- Entscheidend ist, ob die Kosten im Zeitpunkt ihrer Entstehung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung objektiv erforderlich waren, ohne dass es auf subjektive Bewertungen des Beteiligten oder eine ex-post-Betrachtung im Zeitpunkt der Kostenfestsetzung ankäme. Dabei ist auch die Verhältnismäßigkeit des Kostenaufwands zu betrachten. Insoweit gilt der Grundsatz möglichst sparsamer Verfahrensführung.
- Danach ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durch einen Antragsgegner in Familiensachen, die nicht Familienstreitsachen sind, nur dann geboten, wenn er das konkrete Verfahren nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen ohne Gefahr eines Rechtsnachteils zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts nicht ohne anwaltliche Beratung führen konnte.
- Allein der Umstand, dass sich ein Verfahrensbeteiligter in rechtlichen Dingen nicht auskennt – was durchaus üblich und normal ist –, begründet in FG-Familiensachen nach dem gesetzgeberischen Willen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Notwendigkeit eines anwaltlichen Beistands.
OLG Koblenz, Beschl. v. 1.7.2019 – 7 WF 535/19
1 Sachverhalt
Der Antragsteller beantragte vor der Rechtsantragsstelle des FamG die alleinige elterliche Sorge für die Kinder der Beteiligten, O. und S. Zur Begründung berief er sich ausschließlich darauf, dass seinerzeit ein Gutachten durch einen Gutachter erstellt worden sei, dem die Zulassung gefehlt habe. Der Antrag wurde der Antragsgegnerin am 21.2.2019 zugestellt. Mit Schreiben vom 26.2.2019, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, nahm der Antragsteller seinen Antrag zurück, sodass das FamG dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt fest.
Die Antragsrücknahme wurde der Antragsgegnerin durch Verfügung vom 27.2.2019, abgesandt am 7.3.2019, formlos übersandt. Bereits mit Schriftsatz vom 1.3.2019 hatte der am 28.2.2019 von der Antragsgegnerin beauftragte Rechtsanwalt die Vertretung der Kindesmutter in dem Verfahren dem Gericht gegenüber angezeigt.
Hiernach hat die Antragsgegnerin beantragt, die ihr durch die Beauftragung des Rechtsanwalts entstandenen Kosten gegen den Antragsteller festzusetzen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG diesem Antrag entsprochen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner fristgerecht bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Darin gibt er an, das Verfahren lediglich aus Verzweiflung eröffnet und dieses nach 14 Tagen wieder zurückgenommen zu haben. Das damalige Verfahren, in dem der Antragsgegnerin die elterliche Sorge zugesprochen worden sei, sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Der Antragsteller beantragt daher die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses.
Der Senat hat der Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Rspr. des 12. Zivilsenats des BGH aufgegeben, die Notwendigkeit der anwaltlichen Beauftragung bereits zu diesem frühen Zeitpunkt darzulegen und insbesondere Angaben dazu zu machen, ob der Antragsteller in zeitlichem Zusammenhang mit der Stellung des Antrags sich gegen die Ausübung der alleinigen elterlichen Sorge durch die Antragsgegnerin an diese gewandt habe.
Die Antragsgegnerin hat dazu lediglich vorgetragen, dass sie nach Erhalt der Antragsschrift zur Stellungnahme "dem Ganzen hilflos gegenübergestanden habe, da sie sich in rechtlichen Dingen nicht auskenne und sie durch das FamG in Bad Kreuznach auf ihre Frage, warum der Antragsteller diesen Antrag gestellt habe, lediglich zur Auskunft erhalten habe, er habe es sich wohl anders überlegt. "
Das OLG der sofortigen Beschwerde stattgegeben.
2 Aus den Gründen
Die nach § 85 FamFG, §§ 103, 104 Abs. 3 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte und auch ansonsten in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtspflegerin bei dem AG hat zu Unrecht die von der Antragsgegnerin beantragten Kosten gegen den Antragsteller festgesetzt. Die Antragsgegnerin hat Gründe für eine so frühzeitige Beauftragung des Rechtsanwalts nicht hinreichend dargetan.
Grundlage für die Festsetzung erstattungsfähiger Kosten ist, da es sich vorliegend um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, nicht § 91 ZPO, sondern § 80 S. 1 FamFG. Danach sind erstattungsfähige Kosten neben den Gerichtskosten die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. § 80 S. 2 FamFG verweist für letztere auf § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO (notwendige Reisen und Zeitversäumnisse durch notwendige Terminswahrnehmung), nicht aber auf die Regelung des § 91 Abs. 2 ZPO zu Rechtsanwaltskosten. Daraus ergibt sich, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nicht zwangsläufig zu den erstattungsfähigen Kosten in Verfahren nach...