§ 33 Abs. 2 S. 4 EstG
Leitsatz
§ 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist eine abschließende Regelung für alle Prozesskosten, auch für Kosten für eine Strafverteidigung. Dies gilt auch für Aufwendungen von Eltern für ihr heranwachsendes (vgl. § 155 JGG) Kind.
Hess. FG, Urt. v. 11.3.2020 – 9 K 1344/19
I. Sachverhalt
Es wird darum gestritten, ob die Kläger Aufwendungen für die Strafverteidigung ihres Sohnes als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG geltend machen können. Die als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger hatten in ihrer Einkommensteuererklärung 2017 beantragt, Strafverteidigerkosten für ihren 1999 geborenen Sohn A i.H.v. 12.495 EUR als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen. Sie haben sich dabei auf die Urteile des BFH v. 23.5.1990 (III R 145/85, BStBl II 1990, 895) und v. 30.10.2003 (III R 23/02, BStBl II 2004, 267) gestützt.
Das Finanzamt hat das abgelehnt. Prozesskosten seien vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, weil es sich nicht um Aufwendungen handele, ohne die die Kläger Gefahr liefen, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Das Finanzamt hat sich zur Begründung auf den seit dem Veranlagungszeitraum 2013 eingefügten § 33 Abs. 2 S. 4 EStG bezogen. Der Wortlaut dieser Norm setze zwar nicht voraus, dass es sich um eigene Prozesskosten des Steuerpflichtigen handele, sodass auch Prozessaufwendungen für das Verfahren eines Dritten betroffen sein können. Eine Anerkennung sei jedoch nur in den im Gesetz genannten Ausnahmefällen möglich, was hier nicht gegeben sei. Es könne auch nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein, Aufwendungen für die eigene Prozessführung auszuschließen, solche für andere Personen jedoch zuzulassen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
II. Wechselnde Rechtsprechung des BFH
Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen für die Strafverteidigerkosten nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Rspr. des BFH zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung sei vor Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG schwankend gewesen. Nach zunächst langjähriger und ständiger Rspr. des BFH seit dem Urt. v. 5.7.1963 (VI 272/61 S, BStBl II 1963, 499) hätten die Kosten eines Zivilprozesses grds. keine außergewöhnliche Belastung dargestellt. Eine Ausnahme habe man dann gemacht, wenn die Existenz des Steuerpflichtigen bedroht oder der Kernbereich menschlichen Lebens berührt war. Sodann habe der BFH seine Rspr. geändert und Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung grds. anerkannt (BFH, Urt. v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015). Diese Rspr. sei dann erneut dahingehend geändert worden, dass Zivilprozesskosten nur unter den zunächst in der früheren Rspr. genannten Ausnahmen anzuerkennen seien (BFH, Urt. v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl II 2015, 800; zum Vorstehenden vgl. Loschelder, in: Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 36. Aufl., § 217 § 33 Tz. 35 Stichwort "Prozesskosten" und Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Tz. 209).
III. Gesetzliche Regelung in § 33 Abs. 2 S. 4 EstG abschließend
Der zum 1.1.2013 eingefügte § 33 Abs. 2 S. 4 EStG regelt nach Auffassung des Hess. FG nunmehr gesetzlich die Frage der Abzugsfähigkeit von Prozesskosten. Die Norm betreffe grds. jedes gerichtliche Verfahren, somit auch Strafverfahren (Loschelder, in: Schmidt, Kommentar zum EStG, 38. Aufl., 2019, § 33 Tz. 67; BFH, Urt. v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl II 2017, 988). Nach der Rspr. des BFH (Urt. v. 16.4.2013 – IX R 5/12, BStBl II 2013, 806 m.w.N.) stellen Strafverteidigerkosten eines rechtskräftig Verurteilten keine außergewöhnliche Belastung dar, da es an einer Unausweichlichkeit der Aufwendungen fehle; Prozesskosten entstehen nur bei sanktionierten Straftätern, wobei die Straftat nicht unausweichlich war.
1. Besonderheiten bei der Verwarnung nach dem JGG
Hier war nach den weiteren Ausführungen des Hess.FG der Sohn der Kläger wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte im erschwerten Fall tateinheitlich mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, tateinheitlich mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach Jugendrecht verwarnt und ihm weitere Auflagen erteilt worden. Dieser Strafausspruch sei der Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes – JGG – geschuldet. Der Sohn der Kläger sei jedoch nicht freigesprochen worden, was im Rahmen der Anwendung des § 33 EStG von Bedeutung sei, wobei im Falle eines Freispruchs ohnehin keine Prozesskosten angefallen wären. Der Sohn der Kläger hätte daher diese Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung in Ansatz bringen können. Nichts Anderes könne für den Fall gelten, dass – wie vorliegend – die Eltern die Kosten übernommen haben.
2. Alte Rechtsprechung nicht mehr anwendbar
Die Kläger können sich nach Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht (mehr) auf die Entscheidung des BFH (Urt. v. 23.5.1990 – III R 145/85) und v. 30.10.2003 (III R 23/02) berufen. Zwar habe der BFH im Urteil III R 145/85 entschieden, dass d...