§ 11 Abs. 4 RVG; § 145 ZPO; § 63 GKG
Leitsatz
Macht der Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG geltend, die zur Festsetzung angemeldeten Gebühren seien nach einem zu hoch angesetzten Gegenstandswert berechnet, liegt darin in der Regel ein konkludenter Antrag auf förmliche Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 RVG, sodass das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen und eine richterliche Entscheidung über die Wertfestsetzung herbeizuführen ist.
LAG Berlin–Brandenburg, Beschl. v. 5.11.2020 – 26 Ta (Kost) 6101/20
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin zuvor als Prozessbevollmächtigte in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten. Da diese die ihr erteilte Rechnung nicht bezahlt hatte, beantragte die Antragstellerin vor dem ArbG gem. § 11 RVG die Festsetzung ihrer Vergütung. Die Antragsgegnerin wandte ein, der Gegenstandswert sei unzutreffend. Die Rechtspflegerin hat ungeachtet dessen antragsgemäß festgesetzt und ist dabei davon ausgegangen, dass der von der Antragstellerin angesetzte Gegenstandswert zutreffend sei. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das ArbG führte.
II. Kostenfestsetzungsverfahren ist auszusetzen
Werde in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG vom Antragsgegner eingewandt, dass der vom Anwalt angesetzte Wert unzutreffend sei, liege darin konkludent der Antrag, dass der Gegenstandswert gerichtlich festgesetzt werden soll. Für die Festsetzung des Gegenstandswerts sei aber nicht der Rechtspfleger zuständig, sondern der erkennende Richter. Daher sei in einem solchen Fall – wie es § 11 Abs. 4 RVG vorschreibe – das Kostenfestsetzungsverfahren zwingend auszusetzen und die Wertfestsetzung nachzuholen. Nach rechtskräftiger Wertfestsetzung sei dann das Vergütungsfestsetzungsverfahren fortzusetzen.
Im zugrunde liegenden Fall sei die Rechtspflegerin offenbar davon ausgegangen, dass über den Gegenstandwert bereits entschieden sei. Dabei habe sie allerdings übersehen, dass gegen den gerichtlichen Wertfestsetzungsbeschluss eine zulässige Beschwerde erhoben worden war, die noch nicht beschieden worden war. Aus diesem Grund hätte sie daher das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 Abs. 4 RVG i.V.m. § 148 ZPO aussetzen müssen, bis in dem anhängigen Verfahren auf Festsetzung des Gegenstandswertes entschieden worden sei. Aus diesem Grunde sei der Beschluss aufzuheben und die Sache an die Rechtspflegerin zurückzuverweisen.
III. Bedeutung für die Praxis
Regelmäßig wird verkannt, dass weder in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG noch in einem Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO Wertfragen geklärt werden können. Wenn sich in solchen Verfahren ein Streit über den Gegenstandswert oder Streitwert ergibt, ist das Verfahren zwingend auszusetzen, bis das Wertfestsetzungsverfahren abgeschlossen ist (für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG: OLG Brandenburg AGS 2014, 65; für das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO: BGH AGS 2014, 246 = NJW-RR 2014, 765; OLG Düsseldorf AGS 2010, 568). S. hierzu auch ausführlich N. Schneider (Einwand der fehlerhaften Wertfestsetzung in der Kostenfestsetzung, NJW-Spezial 2020, 27).
Die Aussetzung kann auch noch im Beschwerdeverfahren erfolgen (OLG Brandenburg AGS 2014, 65). Auch das im Kostenfestsetzungsverfahren tätige Beschwerdegericht kann die ausstehende Wertfestsetzung nicht an sich ziehen (OLG Koblenz AGS 2019, 199).
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 1/2021, S. 34