I. Fragen
1. Fall 1
In dem bei dem zuständigen Landgericht anhängigen Rechtsstreit, in dem der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 20.000 EUR fordert, stellt der anwesende Prozessbevollmächtigte im Verhandlungstermin v. 25.9.2020 keinen Antrag und flüchtet sich in die Säumnis. Auf Antrag des Rechtsanwalts des Klägers ergeht gegen den Beklagten ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil. Hiergegen legt der Beklagtenvertreter mit neuem Sachvortrag Einspruch ein. Im Einspruchstermin v. 6.11.2020, zu dem wiederum die Anwälte beider erschienen sind, ergeht ein Urteil, in dem das Versäumnisurteil v. 25.9.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird. Die Kosten der Säumnis erlegt das Gericht dem Beklagten auf, die übrigen Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.
Welche Kostennachteile können auf den Beklagten zukommen?
2. Fall 2
Der in dem Rechtstreit obsiegende Kläger hat gegen den Beklagten gem. § 103 Abs. 2 ZPO die Festsetzung seiner Kosten beantragt. Der hierzu gehörte Beklagte hat gegen die Erstattungsforderung mit einer gleich hohen Gegenforderung aufgerechnet, die in einem zwischen den beiden Parteien ergangenen rechtskräftigen Urteil in einer anderen Sache tituliert worden sind. Der vom Rechtspfleger angehörte Kläger äußert sich dahin, dass er die titulierte Gegenforderung längst bezahlt habe, was wiederum der Beklagte bestreitet.
Greift die Aufrechnung des Beklagten durch?
II. Lösungen
1. Lösung zu Fall 1
I. Kosten des Säumnis
Der Beklagte hat einmal die ihm nach § 344 ZPO auferlegten Versäumniskosten zu tragen. Das sind die Kosten, die im Einspruchstermin gesondert angefallen sind. Auf Seiten des Klägers sind hier keine gesonderten Gebühren angefallen. Seinem Prozessbevollmächtigen ist nämlich die volle, d.h. die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, bereits im ersten Termin v. 25.9.2020 entstanden. Die Wahrnehmung des Einspruchstermins hat keine weitere Gebühr und auch keine höhere Terminsgebühr ausgelöst. Als Kosten der Säumnis kommen deshalb allenfalls Auslagen für die Wahrnehmung des Einspruchstermins (Terminsreiseauslagen des Kläger-Vertreters oder Terminswahrnehmungsauslagen des Klägers selbst) in Betracht, wenn sie denn notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 und 2 S. 1 ZPO waren.
II. Verzögerungsgebühr
Das Prozessgericht kann dem Beklagten gem. § 38 S. 1 GKG eine sog. Verzögerungsgebühr auferlegen, weil durch sein Verschulden, bzw. das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins erforderlich wurde (s. LAG Berlin-Brandenburg AGS 2021, 34 [Hansens]). Das Verschulden des Beklagten kann darin gesehen werden, dass er seinen erst mit der Einspruchsschrift nachgeholten neuen Tatsachenvortrag nicht bereits rechtzeitig vor dem ersten Verhandlungstermin v. 25.9.2020 vorgebracht hat. Die 1,0-Gebühr beträgt bei einem Streitwert von. 20.000 EUR immerhin 345 EUR.
2. Lösung zu Fall 2
Materiell-rechtliche Einwendungen, wie hier die Aufrechnung des Beklagten, können im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise nur dann berücksichtigt werden, wenn sie vom Rechtspfleger oder Urkundsbeamten der Geschäftsstelle keine Tatsachenaufklärung erfordern. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der materiell-rechtliche Einwand unstreitig ist oder zugestanden worden ist. Insoweit hat die erstattungsberechtigte Partei eine Erklärungspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO zu dem vom Erstattungspflichtigen erhobenen materiell-rechtlichen Einwand (s. LAG Berlin-Brandenburg AGS 2021, 34 [Hansens]). Die Existenz des in der anderen Sache zugunsten des Beklagten ergangenen Urteils und dessen Inhalt kann der mit dem Kostenfestsetzungsverfahren befasste Rechtspfleger relativ leicht aufklären, indem er die Prozessakten beizieht oder er sich die vollstreckbare Urteilsausfertigung vom Beklagten vorlegen lässt. Der hiergegen vom Kläger erhobene Einwand, die Gegenforderung sei längst bezahlt, ist jedoch weder unstreitig, noch vom Beklagten zugestanden noch lässt er sich ohne größeren Aufwand des Rechtspflegers auf seine Richtigkeit hin überprüfen. Dies führt hier dazu, dass es streitig geblieben ist, dass dem Beklagten die im Urteil titulierte Gegenforderung noch zusteht. Der Rechtspfleger kann also die Aufrechnung des Beklagten bei seiner Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers nicht berücksichtigen.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 1/2021, S. 20