§ 51 Abs. 2 FamGKG; § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG; § 254 ZPO
Leitsatz
Bei einem Stufenantrag auf Zahlung von Unterhalt ist hinsichtlich der fälligen Beträge auf den Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrags und nicht auf den Zeitpunkt der Bezifferung des Antrags abzustellen.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.12.2021 – 13 WF 221/21
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte am 26.7.2017 einen Stufenantrag auf Auskunft und Zahlung von Unterhalt eingereicht, mit dem sie Unterhalt für die Zeit ab Juli 2017 geltend gemacht hat, allerdings für Juli und August 2017 abzgl. bereits gezahlter 550,00 EUR. Am 24.7.2019 ist der Leistungsantrag im Umfang der ursprünglichen Erwartung mit 580,00 EUR monatlich beziffert worden. Das FamG hatte den Verfahrenswert auf 20.360,00 EUR festgesetzt, wobei es die fälligen Beträge bis Juli 2019 angesetzt hatte (23 Monate x 580,00 EUR + 2 x [580,00 EUR – 550,00 EUR]). Die hiergegen erhobene Beschwerde des Antragsgegners hatte Erfolg.
II. Fällige Beträge nur bis Einreichung des Stufenantrags
Bei der nach § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG vorzunehmenden Festsetzung des Verfahrenswerts ist zunächst die Bestimmung des Rückstandszeitraums streitentscheidend. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs des bezifferten Leistungsantrags an, sondern auf den Zeitpunkt des Eingangs des Stufenantrags. Nur die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen, später bezifferten Unterhaltsbeträge stellen den Rückstand gem. § 51 Abs. 2 FamGKG dar (OLG Brandenburg AGS 2015, 432).
Auch für einen Stufenantrag gilt insoweit § 34 FamGKG, sodass sämtliche Anträge eines Stufenantrags mit Einreichung anhängig werden. Für ihre Bewertung kommt es damit auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung an, wobei bei späterer Bezifferung nicht der Wert des Auskunftsantrags, sondern der (höhere) Leistungsantrag wertbestimmend ist (§ 38 FamGKG).
Der Wert des zum Zeitpunkt der Antragseinreichung noch nicht bezifferten Leistungsantrags muss daher geschätzt werden, wobei der später bezifferte Antrag dann maßgebend sei, wenn er den Erwartungen des Antragstellers bei Antragseinreichung im Wesentlichen entspricht (OLG Brandenburg AGS 2015, 432; Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 3. Aufl., 2019, § 38 Rn 20 f.). Hieran gemessen beträgt der den Verfahrenswert nach § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG bestimmende Unterhaltsrückstand zum Zeitpunkt der Antragstellung 30,00 EUR.
Zum Zeitpunkt des Eingangs des Stufenantrags beim FamG am 31.7.2017 war ein für den Monat Juli 2017 geltend gemachter Unterhalt (580,00 EUR abzgl. gezahlter 550,00 EUR) bereits fällig gewesen. Dieser Unterhaltsbetrag von 30,00 EUR ist für den Rückstand nach § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG wertbestimmend. Bei der Bewertung des Werts des laufenden Unterhalts gem. § 51 Abs. 1 FamGKG muss dementsprechend ebenfalls der Zeitpunkt der Antragstellung des Stufenantrags, § 34 FamFG, zugrunde gelegt werden, mithin die ersten zwölf Monate ab Fälligkeit des ersten nach dem Tag des Eingangs des Stufenantrags fällig werdenden Unterhaltsbetrags, vorliegend mithin Unterhalt für die Monate August 2017 bis Juli 2018. Davon ausgehend, dass die Bezifferung durch den Schriftsatz vom 24.7.2019 die bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung des Stufenantrags bestehende Erwartung der Antragstellerin widerspiegelt, sind die mit Schriftsatz vom 24.7.2019 beantragten Monatsbeträge wertbestimmend.
Für den Monat August 2017 wurde ein Betrag i.H.v. 30,00 EUR (580,00 EUR abzgl. bereits gezahlter 550,00 EUR) und von September 2017 bis Juli 2018 wurden je 580,00 EUR geltend gemacht, insgesamt mithin ein laufender Unterhalt i.H.v. 1 x 30,00 EUR + 11 x 580,00 EUR = 6.410,00 EUR. Zzgl. des Rückstands von 30,00 EUR ergibt sich damit ein insgesamt wertbestimmender Unterhaltsbetrag i.H.v. 6.440 EUR.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Fällige Beträge sind hinzuzurechnen
Die Entscheidung des OLG ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings ist nicht auf "Rückstände" abzustellen, sondern auf die bei Antragseinreichung fälligen Beträge.
Da der Unterhalt am Ersten eines Monats im Voraus fällig ist (§ 1612 Abs. 3 S. 1 BGB), ist der laufende Monat folglich immer hinzuzurechnen. Das bedeutet, dass bei Anträgen auf laufenden und fälligen Unterhalt einerseits die auf die Antragseinreichung folgenden zwölf Monate zu bewerten sind sowie andererseits die bei Antragseinreichung fälligen Beträge. Diese Bewertungsmethode gilt für alle Unterhaltsverfahren.
2. Bei Stufenantrag zählt der Eingang des Stufenantrags, nicht die spätere Bezifferung
Wird – wie hier – ein Stufenantrag eingereicht, ist für die fälligen Beträge auf die Einreichung des Stufenantrags abzustellen und nicht auf die spätere Bezifferung des Leistungsantrags. Dies ist einhellige Auffassung (OLG Koblenz AGS 2017, 417; OLG Bremen AGS 2013, 583), da auch bei einem Stufenantrag der Leistungsantrag bereits mit Einreichung anhängig wird, auch wenn er noch nicht beziffert ist.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 1/2022, S. 40 - 41