1. Die Entscheidung ist zutreffend. Es handelt sich – soweit ersichtlich – um die erste (veröffentlichte) Entscheidung zum neuen Recht der Pflichtverteidigung. Betreffend das Strafbefehlsverfahren war früher umstritten, ob die gem. § 408b StPO erfolgte Bestellung auch für das gerichtliche Verfahren galt (vgl. die Nachw. bei Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl., 2019. Rn 2752 m.w.N.). Der Streit hat sich mit der gesetzlichen Neuregelung in § 408b StPO i.S.d. schon zum alten Recht geltenden h.M. erledigt (zum neuen Recht Hillenbrand, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 2987 ff.). Dass das auch sachgerecht und im Interesse des Angeklagten ist, hat das LG ebenfalls zutreffend dargelegt.
2. Zutreffend weist das LG darauf hin, dass es dem AG natürlich unbenommen ist, nun über eine mögliche Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung zu entscheiden. Dem steht der Beschluss des LG nicht entgegen, denn das LG hat nicht über eine erfolgte Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung entschieden, sondern moniert, dass das AG darüber eben nicht entschieden hat, weil es von einem automatischen Ende der Bestellung ausgegangen ist. Über die Frage der Fortgeltung bzw. Aufhebung muss das AG nun nach pflichtgemäßem Ermessen durch Beschluss entscheiden. Im Rahmen dieser Entscheidung muss das AG, worauf das LG ebenfalls hinweist, dann insbesondere den Grundsatz des Vertrauensschutzes zugunsten des Angeklagten berücksichtigen. Gegen die Entscheidung steht dem Angeklagten dann erneut das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§§ 143 Abs. 3, 311 StPO).
3. Die Entscheidung hat ggfs. auch gebührenrechtliche Auswirkungen. Geht man nämlich davon aus, dass die Bestellung des Pflichtverteidigers automatisch mit der Einlegung des Einspruchs endet, kann der Pflichtverteidiger als gesetzliche Gebühren nur die Grundgebühr Nr. 4100 VV, ggfs. die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV und die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug nach Nr. 4106 VV – je nach Fallgestaltung – geltend machen. Endet die Pflichtverteidigerbestellung hingegen nicht automatisch kann der Rechtsanwalt ggfs. auch die Terminsgebühr Nr. 4108 VV verlangen, wenn es zur Hauptverhandlung kommt und der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger an ihr teilnimmt. Wird der Einspruch – ggfs. nach Beratung mit dem Mandanten zurückgenommen – kann die zusätzliche Verfahrensgebühr Abs. 1 Nr. 3 der Anm. zu Nr. 4141 VV angefallen sein (zu den Gebühren im Strafbefehlsverfahren Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 2047 ff. m.w.N.).
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 1/2022, S. 43 - 44