1. Allgemeine Bemessung der Verfahrensgebühr
Für die Verfahrensgebühr des Wahlanwalts stehen ggfs. unterschiedliche Gebührenrahmen zur Verfügung, aus denen der Wahlverteidiger unter Anwendung der Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die jeweils angemessene Gebühr bestimmt. Der Pflichtverteidiger erhält Festbetragsgebühren, und zwar 80 % der einem Wahlanwalt zustehenden sog. Mittelgebühr. Der Betragsrahmen der gerichtlichen Verfahrensgebühr richtet sich beim Wahlanwalt jeweils nach der Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts. Für das Vorverfahren gibt es allerdings nur eine einheitliche Verfahrensgebühr in Nr. 4104 VV.
Die Verfahrensgebühr kann ggfs. mit (Haft-)Zuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV entstehen. Voraussetzung ist, dass das RVG dies ausdrücklich vorsieht. Tätigkeiten, die sich auf Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis beziehen, lassen – anders als früher gem. § 88 Abs. 3 BRAGO – kein Überschreiten des Gebührenrahmens mehr zu, sondern müssen bei der Bestimmung der angemessenen Gebührenhöhe berücksichtigt werden und führen zu einer höheren konkreten Gebühr.
Der Betragsrahmen erhöht sich ggfs. nach Nr. 1008 VV, wenn der Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber vertritt, wie z.B. mehrere Nebenkläger., z.B. in den Fällen des § 397b StPO, oder als Zeugenbeistand mehrere Zeugen.
2. Konkrete Bemessung der Verfahrensgebühr
Bei der konkreten Bemessung der Verfahrensgebühr ist von der Mittelgebühr auszugehen. Bei der Bemessung der konkreten Gebühr muss sich der Rechtsanwalt von den Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG leiten lassen. Dabei kommt es vor allem auf den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit, sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten an. Reicht die Verfahrensgebühr danach wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht aus, den Rechtsanwalt zumutbar zu entlohnen, kommt die Feststellung bzw. Gewährung einer Pauschgebühr nach §§ 42, 51 RVG in Betracht.
Auf der Basis sind dann alle Umstände und alle erbrachten Tätigkeiten, die vom Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr erfasst werden, zu berücksichtigen. Damit wird bei der Bemessung der Verfahrensgebühr der zusätzliche Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt, nicht berücksichtigt. Dieser Aufwand wird durch die Grundgebühr Nr. 4100 VV abgegolten. Erfasst von der (gerichtlichen) Verfahrensgebühr werden insbesondere auch die Tätigkeiten zur allgemeinen Vorbereitung der Hauptverhandlung, wie z.B. das intensive Bemühen um eine Verständigung (§ 257c StPO)/Absprache, die zu einer Abkürzung der Hauptverhandlung geführt hat. Das kann z.B. zur Folge haben, dass diese Tätigkeiten zu einer deutlich über der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren führen, demgegenüber aber wegen des geringeren Zeitaufwands in der Hauptverhandlung für die Terminsgebühr allenfalls nur die Mittelgebühr gerechtfertigt ist. Von Bedeutung sind auch die Anzahl der vom Rechtsanwalt ggfs. geführten Gespräche, die Schwierigkeit der Beweisführung. Der Umfang der Anklageschrift hat bei Strafrichteranklagen, die i.d.R. sehr kurz sind, keine Bedeutung. Das OLG Stuttgart hat die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (Nr. 4104 VV) um die Hälfte der Differenz zwischen Mittelgebühr und Höchstgebühr in einem Schwurgerichtsverfahren mit rund 600 Blatt Akten und schwieriger Sachlage (Aussage-gegen-Aussage-Konstellation) erhöht. Allein die Tatsache, dass dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung eine unbedingte Freiheitsstrafe gedroht hätte, rechtfertigt aber nicht die Annahme einer 30 % über der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr.
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 1/2022, S. 1 - 5