1a) Lösung zu Fall 1 – Ausgangsfall
I. Verfahrensgebühr
Rechtsanwalt X ist für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (s. Vorbem. 4 Abs. 2 VV) die Verfahrensgebühr für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren des ersten Rechtszugs vor dem AG nach Nr. 4106 VV mit einem Gebührenrahmen von 44,00 EUR bis 319,00 EUR (Mittelgebühr: 181,50 EUR) angefallen. Diese Verfahrensgebühr deckt praktisch die gesamte Tätigkeit des Verteidigers im Strafverfahren vor dem AG ab, sofern keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Da Rechtsanwalt X aufgrund der Kündigung des Mandats nur einen Teil der von dem Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr erfassten Tätigkeiten ausgeübt hat, bestimmt er in Ausübung seines ihm gem. § 14 Abs. 1 RVG eingeräumten Ermessens eine Verfahrensgebühr i.H.v. 100,00 EUR.
II. Grundgebühr
Neben der Verfahrensgebühr erhält Rechtsanwalt X die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV, die stets neben der Verfahrensgebühr anfällt. Die Grundgebühr ist im Gesetz mit einem Gebührenrahmen von 44,00 EUR bis 39,00 EUR (Mittelgebühr: 220,00 EUR) vorgesehen und gilt die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall ab.
Durch diese Gebühr werden hier die Durchsicht und erste Prüfung der Anklageschrift sowie die ersten Überlegungen zur Verteidigungsstrategie abgegolten. Die weiteren Tätigkeiten wie die Terminsvereinbarung und die Vorbereitung und Durchführung des Besprechungstermins fallen unter den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr. Bei sonst durchschnittlichen Umständen bestimmt Rechtsanwalt X die Grundgebühr mit der Mittelgebühr i.H.v. 220,00 EUR. Die Kündigung des Mandats nach Durchführung des Besprechungstermins hat sich auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und damit auch auf die Höhe der Grundgebühr nicht ausgewirkt. Rechtsanwalt X hat nämlich mit der erstmaligen Einarbeitung in den Rechtsfall schon vor der Kündigung alle Tätigkeiten entfaltet, die durch die Grundgebühr abgegolten werden.
III. Postentgeltpauschale
Ferner kann Rechtsanwalt X die Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV berechnen, die für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen anfällt. Diese Pauschale ist für das Telefonat mit A zum Zwecke der Terminsvereinbarung angefallen. Die Postentgeltpauschale entsteht nämlich mit jeder Nutzung eines Kommunikationsmediums unabhängig davon, ob das einzelne Gespräch ein besonderes Entgelt auslöst oder durch eine Flatrate abgegolten wird.
IV. Vergütungsberechnung
Rechtsanwalt X erstellt somit folgende Vergütungsberechnung:
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
100,00 EUR |
2. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
220,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
64,60 EUR |
|
Gesamt |
404,60 EUR |
1b) Lösung zu Fall 1 – Abwandlung
I. Verfahrensgebühr
Auch in der Abwandlung deckt die Verfahrensgebühr das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information ab. Da Rechtsanwalt X jedoch nur wenige Tätigkeiten entfaltet hat, die nicht durch die Grundgebühr abgegolten werden (s. nachfolgend unter II.), bestimmt Rechtsanwalt X die Verfahrensgebühr i.H.d. Mindestgebühr mit 44,00 EUR.
II. Grundgebühr
Auch in der Abwandlung ist Rechtsanwalt X die Grundgebühr angefallen, die stets und damit auch bei vorzeitiger Erledigung des Auftrags neben der Verfahrensgebühr anfällt. Da Rechtsanwalt X vor der Kündigung alle Tätigkeiten entfaltet hat, nämlich die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall, die durch die Grundgebühr abgegolten werden, hat die kurz danach erfolgte Kündigung des Mandats keinen Einfluss auf die Gebührenhöhe. Rechtsanwalt X bestimmt somit auch in der Abwandlung die Grundgebühr i.H.d. Mittelgebühr mit 220,00 EUR.
III. Postentgeltpauschale
Rechtsanwalt X ist kein einziges Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen angefallen. Die Übersendung der Vergütungsberechnung hat zwar möglicherweise ein Postentgelt ausgelöst. Hierfür kann Rechtsanwalt X jedoch nach der Anm. zu Nr. 7001 VV keinen Ersatz von seinem Auftraggeber verlangen.
IV. Vergütungsberechnung
In der Abwandlung erstellt Rechtsanwalt X dem Auftraggeber folgende Vergütungsberechnung:
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
44,00 EUR |
2 |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
220,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
50,16 EUR |
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Gesamt |
314,16 EUR |
2. Lösung zu Fall 2
Im Kostenfestsetzungsverfahren sind materiell-rechtliche Einwendungen des Erstattungspflichtigen grds. nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn diese materiell-rechtlichen Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit dem im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Einwendungen unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Weiteres den Akten entnommen werden können.
Rechtsanwalt C wird deshalb im Einzelnen vortragen, wann und auf welche Kostenpositionen mit welchem Betreff der Beklagte Teilzahlungen an den Kläger in welcher Höhe geleistet hat. Gest...