Die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen (s. AGS 2021, 471 [Hansens] = zfs 2021, 642 m. Anm. Hansens), wonach über einen Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes auch beim BGH durch den Einzelrichter zu entscheiden ist, bringt nicht immer Vorteile für sich. Denn dadurch fällt das Korrektiv weg, dass die übrigen Mitglieder des Senats falsche Entscheidungen des Einzelrichters verhindern können.
1. Angewandte Wertvorschrift
Die von der Einzelrichterin herangezogene Wertvorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG war hier nicht einschlägig. Durch einen kurzen Blick in einen Kommentar (s. etwa Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, § 25 RVG Rn 52) hätte die Einzelrichterin feststellen können, dass in Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren der Gegenstandswert nicht nach § 25 RVG zu bestimmen ist, sondern nach § 23 Abs. 2 RVG. Danach ist der Wert in Beschwerdeverfahren, also auch im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Wertes nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Dabei ist nach § 23 Abs. 2 S. 2 RVG der auf diese Weise ermittelte Gegenstandswert durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens begrenzt. Folglich stellt § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG lediglich eine Begrenzung des im Beschwerdeverfahren gesondert zu ermittelnden Gegenstandswertes der Höhe nach dar.
Vorliegend dürfte die Regelung in § 23 Abs. 3 S. 2 RVG eingreifen, wonach der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Liegen für eine Schätzung keine hinreichenden genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, ist der Gegenstandswert dann mit 5.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Da hier die Einzelrichterin des BGH die falsche Wertvorschrift angewandt hat, hat sie entgegen den gesetzlichen Vorgaben ihr Ermessen gar nicht ausgeübt.
2. Anwendung des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG
Abgesehen davon, dass die Einzelrichterin des BGH die falsche Rechtsvorschrift angewandt hat, sind deren Ausführungen zur Bemessung des Gegenstandswertes nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG grds. zutreffend. Danach bestimmt sich der Wert nach dem aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldeten Betrag einschließlich der Nebenforderungen. Dem Grunde nach zutreffend sind auch die Ausführungen der Einzelrichterin, dass erfolgte Teilzahlungen von dem aus dem Vollstreckungstitel geschuldeten Beträgen abzuziehen sind. Im Verlaufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens hatte die Schuldnerin ausweislich der Gründe des Beschlusses des BGH vom 23.9.2021 die gesamte Hauptforderung einschließlich Zinsen und Kosten gezahlt, was zur Erledigung der Hauptsache geführt hat. Dies war jedoch nicht für die Bestimmung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblich.
Nach den Ausführungen der Einzelrichterin des BGH im Beschl. v. 18.11.2021 hat sie lediglich die bis zur Einleitung des Rechtsbeschwerdeverfahrens geleisteten Teilzahlungen der Schuldnerin abgezogen. Dies ist im Prinzip richtig. Für die Bemessung des Gegenstandswertes für die Gebühren des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin kommt es jedoch nicht auf die noch offene Forderung bei Einleitung des Rechtsbeschwerdeverfahrens an. Dieses beginnt nämlich mit dem Eingang der Rechtsbeschwerde beim BGH. Zu diesem Zeitpunkt war dem Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin jedoch die ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3209 VV bereits angefallen, die nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information ausgelöst wird. Die Einzelrichterin des BGH hätte deshalb feststellen müssen, durch welche Tätigkeiten dem Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin erstmals die 1,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3209 VV angefallen ist. Für die Bestimmung des Gegenstandswertes kam es darauf an, wie hoch der noch zu vollstreckende Betrag unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Teilzahlungen der Schuldnerin gewesen ist. Möglicherweise war dem Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers die vorgenannte Verfahrensgebühr bereits zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem die Schuldnerin noch keinerlei Teilzahlung geleistet hat. Dann wäre der gesamte aus dem Vollstreckungsbescheid geschuldete Betrag für die Bestimmung des Gegenstandswertes heranzuziehen.
3. Festsetzung für einen bestimmten Rechtsanwalt
Schließlich hat die Einzelrichterin den Gegenstandswert im Rechtsbeschwerdeverfahren allgemein festgesetzt. Tatsächlich erfolgt die Wertfestsetzung nach § 33 RVG nur für die Gebühren des Rechtsanwalts, der den Antrag gestellt hat (s. KG AGS 2021, 281 [Hansens]). Sie hätte deshalb im Tenor ihrer Entscheidung die Wertfestsetzung ausdrücklich auf die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers beschränken müssen. Dies gilt auch dann, wenn sich für die Schuldnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren kein Anwalt geme...