§ 91 ZPO; Nrn. 7003 ff. VV RVG
Leitsatz
- Parteireisekosten wegen der Anreise eines Geschäftsführers der klageführenden Partei können zu erstatten sein, wenn ihr Prozessbevollmächtigter anwaltlich versichert hat, die Anreise vom jeweiligen Sitz zum Oberlandesgericht sei in getrennten Fahrzeugen erfolgt.
- Das Vorbringen der beklagten Partei, dass der Geschäftsführer der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigter miteinander verwandt sind, und dass eingeräumt worden ist, dass nach dem Gerichtstermin gemeinsam eine kurze Fahrstrecke im Fahrzeug des Geschäftsführers zurückgelegt worden ist, ist nicht ausreichend, um die Glaubhaftmachung der getrennten Anreise durch eine anwaltliche Versicherung zu widerlegen.
- Es gibt keinen Rechtssatz, der die Partei zwecks Vermeidung von Terminreisekosten auf eine "Mitfahrgelegenheit" bei dem Prozessbevollmächtigten verweist.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.11.2020 – 6 W 67/20
I. Sachverhalt
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung war neben dem Rechtsanwalt der Klägerin auch deren Geschäftsführer erschienen. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte die Klägerin neben der Festsetzung ihrer Anwaltskosten auch die Festsetzung der Fahrtkosten ihres Geschäftsführers zum Termin. Das LG hat antragsgemäß festgesetzt. Dagegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, dass Anwalt und Geschäftsführer gemeinsam zum Termin hätten anreisen müssen, sodass nur die Reisekosten des Anwalts angefallen wären. Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II. Reiskosten der Partei sind erstattungsfähig
Durch die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin veranlasste Reisekosten einer Partei sind grds. erstattungsfähig, ohne dass es darauf ankommt, ob sie anwaltlich vertreten oder ihr persönliches Erscheinen angeordnet ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Mündlichkeit einer Gerichtsverhandlung, in der der Partei auch im Anwaltsprozess auf Antrag das Wort zu erteilen ist (§ 137 Abs. 4 ZPO; OLG Koblenz AGS 2010, 102).
III. Bedeutung für die Praxis
1. Getrennte Anreise ist nicht zu beanstanden
Insofern ist es weder dem Rechtsanwalt der Partei noch der Partei selbst versagt, getrennt anzureisen (ebenso LG Stuttgart AGS 2014, 98). Eine Pflicht zur gemeinsamen Anreise von Partei und deren Anwalt, um damit die zu erstattenden Reisekosten im Obsiegensfall zu minieren, gibt es nicht. Eine Partei ist weder verpflichtet, den Anwalt "mitzunehmen" noch mit dem Anwalt gemeinsam anzureisen. Zu Recht geht daher das OLG Brandenburg davon aus, dass kein Rechtssatz existiere, "der die Partei zwecks Vermeidung von Terminreisekosten auf eine Mitfahrgelegenheit" bei dem Prozessbevollmächtigten verweist.
Eine Verpflichtung zur gemeinsamen Anreise besteht schon deshalb nicht, weil die Verpflichtung, die Kosten gering zu halten, nicht den Anwalt trifft. Dieser kann auch wegen eventueller haftungsrechtlicher Folgen nicht gezwungen werden, die Partei in seinem Pkw mitzunehmen. Zudem hätte er auch die Berechtigung, anstelle seines Pkws ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen. Spätestens dann entfiele bei gemeinsamer Anreise die Kostenersparnis.
2. Höhe der Parteireiskosten
Die Höhe der zu erstattenden Kosten für die Partei berechnet sich nach dem JVEG, § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die Partei erhält 0,35 EUR/km sowie anfallende Auslagen (z.B. Parkentgelte) gem. § 5 Abs. 2 S. 1 JVEG.
Darüber hinaus steht der Partei auch eine Entschädigung für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall zu (§§ 20 ff. JVEG).
Dipl.-RPfleger Peter Mock, Koblenz
AGS 1/2022, S. 29 - 30