§§ 2 Abs. 2, 13 InsVV
Leitsatz
- Verstirbt ein Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren, wird das Verfahren in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet.
- In einem masselosen Stundungsverfahren kann der Regelinsolvenzverwalter dennoch nur wie ein Verbraucherinsolvenzverwalter gegenüber der Staatskasse abrechnen.
AG Norderstedt, Beschl. v. 21.5.2021 – 66 IN 206/19
I. Sachverhalt
In einem laufenden Verbraucherinsolvenzverfahren verstarb der Schuldner und das Verfahren wurde in ein sog. Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet. Verfahrenstechnisch wird dieses jedoch wie ein Regelinsolvenzverfahren gewertet, sodass auch ein Übergang in ein Regelinsolvenzverfahren stattfand. Infolgedessen wurde gegenüber der Staatskasse – das Verfahren war masselos und es bestand bis zum Tode des Schuldners eine sog. Kostenstundung – auch wie ein Regelinsolvenzverwalter abgerechnet. Wegen der geringen Masse wurde dann die sog. Mindestvergütung i.H.d. für den Regelinsolvenzverwalter gültigen Höhe abgerechnet. Das festsetzende Gericht gewährte gleichwohl nur eine Vergütung i.H.d. geminderten, für den Verbraucherinsolvenzverwalter gültigen Höhe.
II. Grundsätzliche Überleitung
Verstirbt ein Insolvenzschuldner während eines Insolvenzeröffnungsverfahrens – und zwar unabhängig ob Regel- oder Verbraucherverfahren – oder eines eröffneten Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, wird das Verfahren als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt (BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, NZI 2004, 206).
III. Kostenstundung erstreckt sich nicht auf das Verfahren nach dem Tod
Bei nachträglicher Aufhebung der Kostenstundung ist in der Rspr. anerkannt, dass sich Insolvenzverwalter für bis zur Aufhebung der Stundung erbrachte Tätigkeiten auf die vergütungssichernde Stundungswirkung verlassen (BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07) und entsprechende Ansprüche gegen die Staatskasse geltend machen können. Umgekehrt bedeutet dies aber, dass für nach Stundungsaufhebung entfaltete Tätigkeiten kein Anspruch mehr gegen die Staatskasse besteht. Dies – so das Gericht – gelte auch bei Tod aus dem gleichen Rechtsgedanken heraus.
IV. Kein Anspruch aus der Staatskasse für Tätigkeiten nach dem Tod
Das Gericht beschränkt die Haftung der Staatskasse auf den Zeitpunkt des Todesfalls. Nur bis dahin – also bis zur Überleitung in das Nachlassinsolvenzverfahren – bestünde eine Einstandspflicht, auf die der Insolvenzverwalter vertrauen dürfe. Ein Anspruch auf Kostenstundung setze sich also im übergeleiteten Verfahren gegen die Staatskasse nicht fort.
V. Grundsätzlich erhöht sich der Anspruch
Mit der Überleitung des Verfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren bewegt sich das Verfahren nicht mehr im neunten Teil der Insolvenzordnung. Die Voraussetzungen des § 13 InsVV liegen daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vor, sodass die Mindestvergütung gem. § 2 Abs. 2 InsVV einschlägig ist. Grds. besteht daher die Möglichkeit, nicht wie ein Verbraucherinsolvenzverwalter, sondern eben wie ein Regelinsolvenzverwalter abzurechnen. Folglich könne im Falle von Masse entsprechend wie ein Regelinsolvenzverwalter abgerechnet werden. Dies gelte jedoch (s.o.) nicht im Falle der Stundung.
VI. Bedeutung für die Praxis
Beim Nachlassinsolvenzverfahren handelt es sich um ein sog. "Sonderinsolvenzverfahren" gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Gleichwohl folgt es "verfahrenstechnisch" den Bestimmungen des Regelinsolvenzverfahrens, allerdings mit den Besonderheiten, wie sie die Bestimmungen §§ 315 ff. InsO (bis § 331 InsO) regelt. Ein Nachlassinsolvenzverfahren kann nur über das (ehem.) Vermögen einer nat. Person eröffnet werden. Gleichwohl kommt – anders als ansonsten bei nat. Personen – eine Verfahrenskostenstundung ebenso wie in Insolvenzverfahren jur. Personen nicht in Betracht. Die Stundung als solche dient einzig der "Sicherstellung" einer späteren Restschuldbefreiung (s. Lissner, ZVI 2012, 441 ff.), welche ja bei einem Nachlass mangels (noch) vorhandener nat. Person nicht mehr möglich ist. Für den verstorbenen Schuldner kann keine Restschuldbefreiung mehr in Betracht kommen – hier besteht das Interesse vordringlich in einer Haftungsbeschränkung. Der Erbe wiederum hat nach überwiegender Ansicht auch keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts. Verstirbt der Schuldner also, hat sich sein Verfahren um Restschuldbefreiung ebenfalls erledigt. Seit dem 1.7.2014 gibt es den sog. "Treuhänder" im Verbraucherverfahren nicht mehr. Vielmehr wird seither ebenfalls ein Insolvenzverwalter mit gleichen Rechten bestellt. Die Folge davon ist, dass auch im Verbraucherverfahren im Prinzip wie ein "herkömmlicher" Insolvenzverwalter abgerechnet werden kann (sieht man von Abschlagsfaktoren einmal ab). Das AG sieht dies ebenfalls als gegeben an. Es sieht diese "Parallelität" jedoch nicht im Falle der Kostenstundung. Denn im Falle der Kostenstundung ergeben sich ein Anspruch gegen die Staatskasse. Dieser Mindestvergütungsanspruch – die Mindestgebühr – wird nämlich im Regel- und im Verbraucherverfahren differenziert betrachtet. Da im Verbraucherverfahren eine geeignete Stele das Verfahren vorbereite (außergerichtlicher Einigungsversuch), sei dies im Falle der Regelinsolvenz nicht notwendig Diese "Erleichterung" schlägt sich dann in § 13 InsVV in einer geminderten geb...