1. Allgemeines
Wird ein einheitliches Straf- bzw. Bußgeldverfahren in unterschiedliche Verfahren getrennt, erhält der Rechtsanwalt ab der Trennung der Verfahren für jedes Verfahren gesonderte Gebühren. Es liegen dann mehrere Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG vor, die gebührenrechtlich eigenständig behandelt werden. Das gilt auch für die Auslagen nach Teil 7 VV. Es handelt sich nicht mehr um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG, d.h. um die bloße Fortführung des Ursprungsverfahrens, sondern um eine andere Angelegenheit, es sei denn die Verfahrensgegenstände sind identisch. Vielmehr werden mit der Abtrennung die abgetrennten Verfahren selbstständige Verfahren, was sich i.d.R. daran zeigt, dass sie ein eigenes Gerichtsaktenzeichen führen. Dies hat gebührenrechtlich zur Folge, dass mehrere Verfahrensgebühren (nach der Zahl der getrennten Verfahren) entstehen und mehrere Terminsgebühren anfallen können.
2. Grundgebühr Nr. 4100 VV
Das gilt allerdings nur für die nach der Trennung in den jeweiligen Verfahrensabschnitten noch anfallenden Verfahrens- und Terminsgebühren. Für die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV gilt das grds. nicht, da insoweit bereits die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall erfolgt ist.
3. Pflichtverteidigerbestellung
Für die Trennung von Verfahren ist umstritten, ob eine im Ursprungsverfahren erfolgte Bestellung bzw. Beiordnung des Rechtsanwalts, z.B. als Nebenklägerbeistand oder Pflichtverteidiger, für die nach der Trennung vorliegenden eigenständigen Verfahren fortgilt. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen sollte der Rechtsanwalt auf eine klarstellende Beiordnung und Bestellung in allen Verfahren hinwirken. Das gilt vor allem auch im Hinblick auf eine ggf. zwischenzeitlich erfolgte Rechtsänderung. Zwar sieht § 60 Abs. 1 S. 4 RVG für Rechtsänderungen vor, dass für die Vergütung ggf. neues Recht anzuwenden ist, wenn die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit erfasst, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird. Die Formulierung in § 60 Abs. 1 S. 4 RVG "Erfasst die Bestellung …" legt aber nahe, dass damit nur die Fälle gemeint sind, in denen sich eine Beiordnung oder Bestellung auf andere Angelegenheiten erstreckt, was in den Fällen der Trennung nicht ohne Weiteres der Fall ist.
4. Beispiele
Beispiel 1
Das Verfahren 1 richtet sich gegen die Angeklagten A und B, gegen die Anklage erhoben wird. In der Hauptverhandlung wird das Verfahren gegen den A abgetrennt und gegen den B, der nur von einem Anklagevorwurf betroffen war, durch Urteil beendet. Nach der Urteilsverkündung wird das Verfahren gegen den A fortgesetzt. Auch er wird am selben Tag verurteilt.
Welche Gebühren sind für den Rechtsanwalt R, der den A von Anfang an vertreten hat, entstanden?
Für die Abrechnung gilt:
Entstanden sind für den R die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV für die Vertretung im vorbereitenden Verfahren. Außerdem sind die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV angefallen. Mit der Abtrennung des Verfahrens gegen den A ist nicht noch eine zweite Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV entstanden. Es handelt sich bei der Verteidigung des A, bei dem sich der Verfahrensgegenstand nicht geändert hat, um dieselbe Angelegenheit, sodass nach § 15 Abs. 2 RVG die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV nicht noch einmal entstehen kann.
Beispiel 2
Gegen den Beschuldigten B wird wegen drei Diebstahlstaten und wegen Hehlerei ermittelt. Wegen dieser Taten wird er beim AG angeklagt. Dieses trennt vor der Hauptverhandlung das Verfahren wegen der Hehlerei ab und stellt das Verfahren später aufgrund der Einwendungen des Verteidigers ein. Wegen der Diebstahlstaten wird die Hauptverhandlung...