§ 14 RVG
Leitsatz
- Eine Angelegenheit hat wegen eines drohenden einmonatigen Fahrverbotes bei einer beruflichen Abhängigkeit vom Führerschein und daraus resultierenden persönlichen und wirtschaftlichen Härten mit einer möglichen Existenzgefährdung für den Betroffenen eine überdurchschnittliche Bedeutung.
- Zur Erstattung der Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei einem standardisierten Messverfahren.
AG Ratingen, Beschl. v. 25.11.2022 – 20 OWi 413/21
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hat den Betroffenen im Bußgeldverfahren vertreten. Das Verfahren ist von der Verwaltungsbehörde eingestellt worden. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen sind der Staatskasse auferlegt worden. Über die Höhe der Erstattung wird nun gestritten. Die Behörde hat notwendige Auslagen i.H.v. 850,26 EUR festgesetzt. In Streit stehen noch zum einen die Differenzbeträge zwischen einer von der Behörde nur in Ansatz gebrachten Mittelgebühr und der vom Betroffenen begehrten Erhöhung wegen einer vorgetragenen überdurchschnittlichen Bedeutung der Sache und einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit sowie zum anderen die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens i.H.v. 1.350,03 EUR. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen hatte Erfolg.
II. Gebührenhöhe
Das AG ist davon ausgegangen, dass die Angelegenheit bereits wegen des drohenden einmonatigen Fahrverbotes bei einer beruflichen Abhängigkeit vom Führerschein und daraus resultierenden persönlichen, wirtschaftlichen Härten mit einer möglichen Existenzgefährdung für den Betroffenen eine überdurchschnittliche Bedeutung hatte. Insbesondere, wenn ein Eintrag von mehr als zwei Punkten in Betracht komme, liege eine hohe Bedeutung für den Betroffenen vor, sodass eine erhöhte Gebühr veranschlagt werden könne (vgl. LG Gera JurBüro 2000, 581 = AGS 2000, 250; LG Potsdam RVGreport 2014, 18).
I.Ü. sei das Verfahren wegen des Verfahrensablaufs eindeutig auch überdurchschnittlich schwierig gewesen. Der Verteidiger habe wegen der Unvollständigkeit der Akten einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWG stellen müssen, u.a., weil die Behörde sich weigerte, die Messreihe zur Verfügung zu stellen. Ferner sei Hinblick darauf, dass die Behörde nach erstmaliger Zurückverweisung der Sache eine Vorladung zur Vernehmung an den Betroffenen gesandt habe, obwohl dieser bereits mitgeteilt hatte, keine Angaben zur Sache zu machen, ein erneutes Tätigwerden des Verteidigers erforderlich gewesen, das in einem Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit nicht erforderlich gewesen wäre.
III. Erstattung der Gutachterkosten
Der Betroffene konnte nach Auffassung des AG auch die angemessen erscheinenden Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens i.H.v. 1.350,03 EUR in Ansatz bringen. Kosten für die Einholung eines – privaten – Sachverständigengutachtens seien ausnahmsweise dann als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen seien oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich sei, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre (vgl. nur LG Wuppertal, Beschl. v. 8.2.2018 – 26 Qs 214/17, RVGreport 2018, 223 = VRR 8/2018, 17 = Sonderausgabe StRR 12/2018, 7 = RVGprofessionell 2019, 8). Bei einem standardisierten Messverfahren wie hier dem verwendeten Messgerät PoliscanSpeed bestünden realistischerweise nur dann Möglichkeiten des Betroffenen, konkrete Einwendungen vorzubringen, wenn er bereits frühzeitig vor einem etwaigen Hauptverhandlungstermin ein Privatgutachten einhole. Die Argumentation der Behörde im Kostenfestsetzungsbescheid, es sei wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes zumutbar, auch ex-ante notwendig erscheinende Ermittlungen erst dann selbst zu veranlassen, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht diese abgelehnt habe, erscheine in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren jedenfalls bei Anwendung der Grundsätze des standardisierten Messverfahrens unrealistisch, weil nach Ablehnung entsprechender Beweisanträge im Hauptverhandlungstermin regelmäßig unmittelbar eine Entscheidung des Gerichts erfolge. Somit habe der Betroffene jedenfalls zum Zeitpunkt seines Einspruchs davon ausgehen müssen, dass keine Beweiserhebung zur Ordnungsgemäßheit der Messung erfolgen würde, wenn er keine konkreten Anhaltspunkte für einen Messfehler vorbringe. Da nicht ersichtlich sei, dass solche vor Beauftragung des Gutachtens vorgelegen hätten, seien aus der maßgeblichen ex ante Sicht des Betroffenen ohne die Einholung seines privaten Gutachtens seine Verteidigungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt gewesen.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Die Ausführungen des AG zur Gebührenhöhe sind zu begrüßen. Bußgeldverfahren erfordern wegen der Besonderheiten der Rspr. zum standardisierten Messverfahren einen erhöhten Arbeitsaufwand, sodass sie überdurchschnittlich sind. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Folgen für den Betroffenen, auf die das AG ebenfalls abgestellt hat. Warum dazu allerdings Rspr. aus der Zeit vor Inkrafttrete...