1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG kann der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt von der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss für die entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen fordern. Soweit der Vorschuss anwaltliche Auslagen betrifft, besteht ein Anspruch gegen die Staatskasse nur für diejenigen Auslagen, die zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren.
2. Privatgutachtenkosten nicht erforderlich
Nach Auffassung des OLG Celle waren hier die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters, für die der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus der Staatskasse einen Vorschuss gefordert hatte, "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung" nicht erforderlich.
a) Grundsätze für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachtenkosten
Insoweit hat das OLG Celle auf die Rspr. verwiesen, die auf die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachtenkosten i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO ergangen ist. Nach Auffassung des BGH sind Kosten für einen Privatgutachter nur dann gem. § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren (BGH AGS 2003, 178 m. Anm. Leupertz = BRAGOreport 2003, 96; BGH AGS 2006, 361 m. Anm. Onderka = RVGreport 2006, 315 [Hansens]). Dies beurteilt sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich hätte ansehen dürfen (BGH AGS 2003, 178; BGH RVGreport 2013, 236 [Hansens] = zfs 2013, 346). Diese Voraussetzungen liegen nach der Rspr. des BGH ausnahmsweise dann vor, wenn ein Beteiligter infolge fehlender Sachkenntnisse zu einem sachgerechten Vortrag ohne Einholung des Privatgutachtens nicht in der Lage ist (BGH, a.a.O.).
b) Einschränkungen bei prozessbegleitend eingeholten Privatgutachten
Nach Auffassung des OLG Celle sind diese Grundsätze hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein prozessbegleitend eingeholtes Privatgutachten insoweit eingeschränkt, als es Sache des Prozessgerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen. Jedoch habe die Rspr. die Erstattungsfähigkeit der Kosten für prozessbegleitende Privatgutachten dann angenommen, wenn es darum gegangen sei, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (OLG Stuttgart BauR 2002, 665; OLG Stuttgart ZEV 2007, 536; OLG Nürnberg MDR 2001, 1439; OLG Koblenz 2007, 652; OLG Celle BauR 2009, 285).
Ebenso könnten die Kosten für ein prozessbegleitend eingeholtes Privatgutachten dann erstattungsfähig sein, wenn die betreffende Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen sei, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (OLG Düsseldorf AGS 1998, 24; OLG Koblenz und OLG Celle, je a.a.O.).
Schließlich hat das OLG Celle auf den Fall verwiesen, dass die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dienen solle (OLG Hamm AGS 2013, 348 = RVGreport 2013, 307 [Hansens]).
c) Die Umstände im Fall des OLG Celle
Nach Auffassung des OLG Celle ist bei Anlegung dieser Maßstäbe die Einholung eines prozessbegleitenden Privatgutachtens nicht erforderlich, um das gerichtlich eingeholte Gutachten des Gerichtssachverständigen vom 10.7.2022 zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe – so das OLG – in seiner Beschwerde keine Gründe für eine Ausnahme dargetan. Er habe lediglich pauschal behauptet, der Kläger sei aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nicht in der Lage, die medizinischen Ausführungen ausreichend zu hinterfragen und etwaige Widersprüche in dem Gerichtsgutachten aufzudecken. Diesem Vortrag hat das OLG Celle entgegengehalten, der Kläger habe einen Rechtsanwalt zur Unterstützung gehabt.
Außerdem handelt es sich nach den weiteren Ausführungen des OLG Celle– anders als etwa im Fall des OLG Hamm (AGS 2013, 348 = RVGreport 2013, 307 [Hansens]) – nicht um einen komplexen Sachverhalt mit umfassenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Fragen, die durch den Gerichtssachverständigen nicht zweifelsfrei beantwortet werden konnten. Vorliegend sei es vielmehr um einen überschaubaren Sachverhalt und den Nachweis unfallbedingter Verletzungen und Beeinträchtigungen gegangen, wie es im Bereich des Verkehrsunfallrechts regelmäßig vorkomme. In solchen Fällen sei es regelmäßig erforderlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte mit der von ihm vertretenen Partei mit entsprechenden medizinischen oder unfallanalytischen Gutachten hinsichtlich der Beweislage auseinandersetze und ggf. geeignete Nachfragen an den gerichtlichen Sachverständigen stelle.
Nach den Ausführungen des OLG Celle hat hier der Gerichtssachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.7.2022 anschaulich, umfassend und nachvollziehbar die Beweisfragen beantwortet. Demgegenüber zeige die Beschwerde nicht auf, warum der Prozessbevollmächtigte ...